Billig

Billig

Billig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Dem Rechte der Natur, oder der im Innern, im Gewissen, empfundenen Verbindlichkeit gemäß; und zwar, 1) in der weitesten Bedeutung, so fern diese Verbindlichkeit allgemein ist, oder erwiesen werden kann, da denn billig in allen den Fällen gebraucht wird, wo wir etwas zu thun, oder zu leiden schuldig sind. Das kann ich billig von dir erwarten. Ich hatte es dir geliehen, es ist billig, daß du mir es wieder gibst. Ich halte es für sehr billig. Das solltest du billig wissen. Sollte ich dich nicht billig strafen? Das ist nicht mehr als billig. Etwas für billig erkennen. 2) In engerer Bedeutung, so fern diese Verbindlichkeit in besondern Umständen empfunden wird, wo sie keine allgemeine Regel leidet, den besondern Umständen nach der innern Empfindung gemäß, da es denn dem, was wir zu thun schuldig sind, entgegen stehet. Es ist billig, daß ich dir diesen Schaden ersetze, ob ich es gleich nicht schuldig bin. Sie kennen die zärtlichen Sorgen eines Vaters, sie werden also die meinigen billig finden. Im gemeinen Leben verlieret sich oft der Begriff der empfundenen Verbindlichkeit, und billig bedeutet alsdann bloß den besondern Umständen gemäß. Eine billige Belohnung, nicht so fern wir uns für verbunden halten, solche zu geben, sondern so fern sie dem Verdienste und dem Vermögen dessen, der sie gibt, angemessen ist. Eine billige Aussteuer. Eine billige Strafe. Ich halte viel auf ein billiges Lob, Gell. Ja zuweilen bedeutet es nur überhaupt so viel wie mäßig, bescheiden. Seine Antwort ist noch billig genug. 3) In der engsten Bedeutung wird dieses Wort im Handel und Wandel häufig gebraucht, für mäßig; besonders von der Bestimmung des Werthes einer Waare. Ein billiger Preis, der so wohl dem Werthe der Waare, als auch den übrigen Umständen angemessen ist. Seine Forderungen sind sehr billig. Machen sie es billig mit mir, übertheuern sie mich nicht. Ich will es auf das billigste einrichten. Vielleicht nimmt er es für ein Billiges (für einen billigen Preis) wieder an, Gell.

2. Geneigt, dieser empfundenen Verbindlichkeit gemäß zu handeln, in allen obigen Bedeutungen. Ein billiger Mann. Sey billig gegen die Vorsicht. Er ist sehr billig, mäßig in seinen Forderungen.

Anm. 1. Dem Kero scheinet dieses Wort noch nicht bekannt gewesen zu seyn, indem er merito durch piuuruhti übersetzt. Ottfried und Notker gebrauchen für Billigkeit auch noch Ebini. Allein bey dem Willeram kommt schon billih, in dem alten Gedichte auf Carln den Großen bey dem Schilter pillichen, im Schwabenspiegel billich, und bey dem Hornegk pilleich vor. Die erste Hälfte ist das alte Bill, empfundenes Recht, wovon im Oberdeutschen, besonders der Schweiz, noch Unbill, Unbild, Unbilde für Unrecht, Beleidigung, üblich ist. Er klagte ihm den angethanen Unbill, heißt es noch in Walsers Appenzell. Chron. Weil weder Wachter noch Ihre dieses alte Oberdeutsche Wort kannten, so schlägt der letztere eine andere Ableitung vor, die aber jetzt unnöthig wird. Nur die letzte Sylbe ist streitig; indem man gefraget hat, ob sie die Ableitungssylbe lich, oder ig ist. In dem ersten Falle müßte man dieses Wort billlich, oder doch billich schreiben. Siehet man auf die vornehmste Bedeutung dieses Wortes, da es dem Naturrechte gemäß bedeutet, so muß man für die erste Schreibart den Ausspruch thun, zumahl da die Alten dieses Wort beständig billich schreiben. Allein da nicht nur der lange heutige Gebrauch das g eingeführet hat, welches auch durch die allgemeine Aussprache in der Verlängerung des Wortes, wenigstens im Hochdeutschen, unterstützet wird: so muß man das g behalten; zumahl da die Grenzen der Bedeutungen der beyden Ableitungssylben lich und ig sehr oft zusammen fließen. Die Schweden und Dänen schreiben es gleichfalls billig, mit einem g.

Anm. 2. Dieses Wort ist von je her am häufigsten von dem empfundenen Rechte, oder dem Rechte der Natur, gebraucht worden, im Gegensatze dessen, was dem gegebenen Rechte oder den eigentlichen Gesetzen gemäß ist. Wenn man daher im gemeinen Leben recht und billig oft zusammen setzet, so ist recht daselbst in der engern Bedeutung, den Gesetzen gemäß, zu nehmen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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