- Ding (2), das
2. Das Ding, des -es, plur. die -e, und in einigen Fällen auch die -er, ein Wort, welches heut zu Tage noch einen weiten Umfang der Bedeutung hat. Es bedeutet,
1. * Eigentlich, Hausrath, Werkzeug, ein körperliches Hülfsmittel, etwas zu verrichten. Daß diese Bedeutung die erste und eigentliche sey, ist indessen nur noch eine bloße Muthmaßung, die Wachter zuerst gewaget, Ihre aber aus dem Isländischen und alten Schwedischen bestätiget hat. Das Latein. res wurde gleichfalls von dem Hausrathe gebraucht. Merkwürdig ist auch, daß im Alt-Französ. Afferi, Affri, Ackerpferde, Affare und Affarium im mittlern Lateinischen eine Meierey bedeutete, wovon hernach Affaire nicht allein die allgemeine Bedeutung eines jeden Eigenthums, sondern auch überhaupt einer jeden Sache bekommen hat, welches Schicksal es mit unserm Deutschen Worte Ding gemein hat.
2. * Eine Arbeit, ein Geschäft. Sven der Bischof heim ist, swes er danne bidarf zu sinem Bade, zu der Kuchinen, zu der Schenken Ding, in dem Straßburg. Stadtrechte bey dem Schilter. Noch jetzt sagt man im Plural im gemeinen Leben, ich will meine Dinge schon machen, was mit mir zu thun oblieget. Sechs Tage sollst du arbeiten, und alle deine Dinge beschicken, 2 Mos. 2, 9. Bey dem Ottfried kommt githingen, das Zeitwort mehrmahls für bestreben, sich bemühen, tendere, contendere, vor.
3. In weiterer Bedeutung, eine Sache, im Gegensatze einer Person. Diese Bedeutung kommt nur noch zuweilen in den Rechten vor, das Latein. Res auszudrucken. S. auch Dinglich.
4. In noch weiterm Verstande, ein Individuum, als die allgemeinste Benennung, wo man dieses Wort häufig gebraucht, wenn man die eigentliche Benennung eines Individui nicht weiß, oder nicht gebrauchen will. Was ist das für ein Ding? Das ist doch ein artiges Ding. Wissen sie nicht wie das Ding heißet? Ja, ja, die Liebe ist nun so ein wunderlich Ding. Weiße. An einigerley Ding, das von Fellen gemacht ist, 3 Mos. 13, 49. Das Salz ist ein gut Ding, Luc. 14, 34. In dieser Bedeutung hat der Plural die Dinger. Es ist in derselben auch das Diminutivum Dingelchen und im Plural Dingerchen üblich. Sie haben von mir wissen wollen, was Anakreontische und Sapphische Oden für Dinger sind, Kästn. Wie heißen die kleinen Dingerchen, die so in den Sonnenstrahlen herumfliegen? Less. Das sind große Weinbeeren; es sind ja Dinger wie Pflaumen. Ich glaube, die Herren Richter werden aus Höflichkeit die Dinger gar eingehen lassen, sagt der Jude bey Lessing von den Galgen. Im Niedersächsischen sagt man in dieser Bedeutung, obgleich mit einiger Verachtung, im Plural gleichfalls Dingerjes. In den gemeinen Mundarten werden die Mitesser an den Kindern auch die bösen Dinger genannt. An andern Orten heißt der Wurm am Finger das böse, und die Rose das heilige Ding. In eben diesem Verstande gebraucht man das Wort Ding im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart auch von Personen, und vornehmlich von jungen Personen des andern Geschlechtes, da es denn im Plural gleichfalls Dinger hat. Es ist ein artiges, ein leichtfertiges Ding.
Das kleine lose Ding hat Lust mich noch zu schrauben. Hören sie doch, was ihre Minna für ein eingebildetes albernes Ding war, Less. Je nun, meine Tochter ist kein uneben Ding, Weiße. Wenn alle Mädchen so sind, wie ich mich jetzt fühle so sind wir sonderbare Dinger, Less. Ein leichtsinniger Bube, der ein halb Schock arme junge Dinger verführet hat, Weiße. Wenns aufs Heirathen ankommt, wollt ihr Dinger immer klüger seyn, als eure Großväter, ebend. Zuweilen auch von Personen männlichen Geschlechtes. Wir haben über unsere Anbether gezankt, ich will die Dinger immer so nennen, Less. Freylich schleicht sich in diese Benennung etwas von Verachtung mit ein; aber in Preußen und einigen Niedersächsischen Gegenden ist sie der herrschende Begriff, denn da gebraucht man das Wort Ding nur von berüchtigten Weibespersonen. Hierher gehöret auch der Oberdeutsche Gebrauch dieses Wortes, eine Person zu bezeichnen, die man nicht zu nennen weiß, und alsdann gebraucht man es so wohl im männlichen, als weiblichen Geschlechte. Wie heißt der Ding? der Mann. Wo wohnet doch die Ding von der wir gestern sprachen? Etwas Ähnliches hat auch die Schwedische Sprache, wo das Wort Ting auch zuweilen im männlichen Geschlechte gebraucht wird.
5. In noch weiterer Bedeutung, alles was wirklich vorhanden ist, ohne es als Individua zu betrachten, in welcher Bedeutung besonders der Plural die Dinge üblich ist. Gott ist der Schöpfer aller Dinge. Das Ende aller Dinge.
6. In der weitesten Bedeutung, alles wovon man einen Begriff haben kann, es sey nun wirklich oder nur bloß möglich, es sey nun eine Substanz, oder nur eine Eigenschaft, eine Beschaffenheit derselben, in welchem Verstande es im Plural gleichfalls Dinge hat, und nicht nur bey den Philosophen üblich ist, das Lat. Ens auszudrucken, sondern auch im gemeinen Leben häufig ist. Er gehet mit großen Dingen schwanger, macht große Entwürfe. Vor allen Dingen. Aller guten Dinge sind drey. Das gehet nicht mit rechten Dingen zu. Besonders in den vertraulichen Sprecharten. Das Ding, die Sache, der Vorschlag u.s.f. gefällt mir. Laß mir das Ding bleiben. Wie gehet das Ding zu? Das Ding siehet sehr bunt aus, die Sache sieht verwirrt aus. Das Ding begreife ich nicht. Ich weiß das Ding lange, die Sache. Ich habe das Ding lange gemerkt. Darüber ward er empfindlich und sagte mir die unverschämtesten Dinge, Gell. Ich habe dem Dinge reiflich nachgedacht. Machen sie dem Dinge ein Ende, wenn wir Freunde bleiben sollen, ebend. In der anständigern Schreibart bedienet man sich in den meisten dieser Fälle lieber des Wortes Sache. Hierher gehören.
7. Auch verschiedene adverbische Redensarten, in welchen diese allgemeine Bedeutung des Wortes Ding zum Grunde lieget. Guter Dinge seyn, aufgeräumt, sorgenlos sehn; welcher Ausdruck doch im Hochdeutschen wenig mehr vorkommt. Die Oberdeutsche Mundart ist vorzüglich reich an solchen adverbischen Ausdrücken. Platter Dingen, platterdings; schlechter Dingen, schlechterdings; befindenden Dingen nach, nach Befinden der Umstände; daß er sich in Ansehung der Miethe billiger Dinge bequeme; bewandten Dingen nach; neuer Dingen, für neulich; gestallten Dingen nach; unmöglichen Dingen, unmöglich; allthunlicher Dingen nach; keiner Dingen, keinesweges; befugter Dingen, mit Recht; wiederhohlter Dingen, nochmahls; er wollte es nicht so leichter Dingen fahren lassen, und hundert andere Ausdrücke mehr, die den Hochdeutschen unbekannt sind.
Anm. 1. Obgleich das Wort Ding in den meisten Fällen, besonders aber in der weitesten Bedeutung, nur den gemeinen Sprecharten eigen ist, so lässet es sich doch auch in diesen nicht überall gebrauchen, wo man es wohl ehedem gebrauchen konnte. Ich thue ein Ding in Israel, daß wer das hören wird, u.s.f. 1 Sam. 3, 11. Denn es nutzet nicht – – weil es ein eitel Ding ist, Kap. 12, 21. Wo Neid und Zank ist, da ist Unordnung und eitel bös Ding, Jac. 3, 16 u.s.f. sind noch Überbleibsel der Oberdeutschen Mundart, in welcher dieses Wort häufiger gebraucht wird, als in der Hochdeutschen.
Anm. 2. Wachter leitet dieses Wort von thun her; eine Ableitung, die viele Wahrscheinlichkeit hat, aber freylich nur noch eine Muthmaßung ist, und worauf sich die gleichfalls nur muthmaßliche erste Bedeutung eines Werkzeuges gründet. Aber es wird überhaupt schwer fallen, von dem Ursprunge dieses so alten Wortes etwas mehr als Muthmaßungen anzugeben. Eben um deßwillen ist es auch unbekannt, ob Ding, so fern es ein Gespräch und Gericht bedeutet, von Ding, eine Sache verschieden ist, oder ob solches nur verschiedene Bedeutungen eines und eben desselben Wortes sind. So weit wir diese beyden Wörter heut zu Tage kennen, lassen sich ihre Bedeutungen ohne Gewaltthätigkeit nicht wohl mit einander vereinigen. Aber es ist möglich, daß verschiedene Bedeutungen verloren gegangen sind, die die Sprossen einer Leiter ausgemacht haben, von welcher uns jetzt nur noch die zwey äußersten Enden übrig sind. In einigen Gegenden, z.B. der Pfalz, hat dieses Wort, auch wenn es nicht bloß ein Individuum bedeutet, im Plural die Dinger. Als es der Natur der Dinger (der Dinge) eben kommt, d.i. gemäß ist, heißt es auch in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur. Als Wolf die Philosophie von den unnützen Grillen der Scholastiker säuberte, und sich dadurch dem Spotte der Thoren aussetzte, nannte Gottfried Zeidler die Ontologie aus Verachtung die Dingerlehre, womit er auf eine schmutzige Bedeutung des Wortes Ding unter dem Pöbel anspielete. Zu verwundern ist es daher, wie ein gewisser Schriftsteller noch vor wenig Jahren die Ontologie in allem Ernste mit diesem längst vergessenen niedrigen Nahmen belegen können.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.