Fliehen

Fliehen

Fliehen, verb. irreg. ich fliehe, du fliehest oder fliehst, (Oberd. fleuchst), er fliehet oder flieht. (Oberd. fleucht); Imperf. ich flohe, Conj. ich flöhe; Mittelw. geflohen, Imperat. fliehe, (Oberd. fleuch;) welches in doppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, sich schnell und unhörbar von einem Orte entfernen. 1. Eigentlich, da es gemeiniglich den Nebenbegriff der Furcht bey sich hat, sich von Furcht getrieben schnell von einem Orte entfernen, in der edlen Schreibart. So fliehet das Wild bey den Jägern, wenn es die Gefahr entdecket. Die Soldaten flohen aus der Schlacht. Was überblieb, flohe auf das Gebirge, 1 Mos. 14, 10. In eine Stadt, aus dem Lager fliehen. Den fliehenden Feind verfolgen. Vor der Gefahr fliehen. Voller Furcht floh er in meine Arme. Alle seine Bedienten sind von ihm geflohen. Fliehe vor der Sünde, wie vor einer Schlange. 2. Zuweilen verliert sich der Begriff der Furcht, und läßt bloß den Begriff der Eilfertigkeit zurück. Der Mensch fleucht wie ein Schatten und bleibet nicht, Hiob. 14, 2. Das Meer sahe und flohe, Ps. 114, 3. Trauren wird von ihnen fliehen, Es. 51, 11. Ehre und Gerechtigkeit sind längst aus seinem Herzen geflohen. In der Stelle beym Gellert:


Er bittet mit den treusten Zähren,

Die schamhaft von den Wangen fliehn,


scheinet es um des Reimes willen zu stehen; wenigstens ist die Figur ein wenig ungewöhnlich. 3. Figürlich. 1) Durch Empfindung, durch Leidenschaft getrieben den Ort schnell verändern. Zu einem fliehen, seine Zuflucht zu ihm nehmen, Schutz, Rath, Hülfe bey ihm suchen. Zum Gebethe fliehen.


Fall an sein Herz, o Königinn, mit Zähren

Der Freude, fleuch an seine Brust,

Raml.


II. Als ein Activum, sich ernstlich von etwas zu entfernen suchen, mit der vierten Endung der Person oder Sache, von welcher man sich zu entfernen sucht, so wohl eigentlich als figürlich. Er fliehet meine Gegenwart, wo er nur weiß und kann. Die Gefahr fliehen. Ich fliehe die Gelegenheit ihn zu sehen. Das Licht, böse Gesellschaft, die Unkosten, die Mühe, die Arbeit fliehen. Fliehen sie alles, was ihrer Flamme Nahrung gibt. Die Leidenschaft fliehen, das ist die einzige mögliche Art, sie zu besiegen.

Anm. Dieses Zeitwort lautet bey dem Ulphilas thliuhan, bey dem Kero fliohen, fliohan, bey dem Ottfried fliahen, im Imperat. fliuh, im Dän. flye, im Engl. to fly, im Schwed. fly, im Angels. flean. Im Schwed. ist fly schnell, und im Nieders. welche Mundart dieses Zeitwort nicht hat, ist flojen fließen, fluere. S. Fliegen, welches bloß eine härtere Aussprache dieses Zeitwortes ist. Die zweyte und dritte Person du fleuchst, er fleucht, und der Imperat. fleuch, welche noch in der höhern Schreibart beliebt sind, sind Überreste einer rauhern Alemannischen Mundart, welche für floh auch im Imperf. fluch sagt. Ob der Held fluch, Theuerd. S. auch Flucht und Flüchtig, welche von diesem Zeitworte herstammen. Die Oberdeutsche Mundart hat noch ein anderes mit diesem genau verwandtes Zeitwort, welches flehen lautet, das Factitivum von fliehen ist, und wie unser flüchten gebraucht wird. Seine besten Sachen an einen sichern Ort flehen. Es gehet an ein Flehen. Man flehet aller Orten. Geflehete Leute. Geflehete Güter oder Flehgüter. In einigen Gegenden lautet dieses Wort nach einer andern Form flehenen, oder flehnen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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  • fliehen — Vst. std. (8. Jh.), mhd. vliehen, ahd. fliohan, as. fliohan Stammwort. Aus n./wg. * fleuha Vst. fliehen , auch in ae. flēon, as. fliohan, afr. fliā und Resten im Altnordischen (mit fljúga fliegen zusammengefallen). Im Deutschen ist der… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • fliehen — fliehen: Die Herkunft des gemeingerm. Verbs mhd. vliehen, ahd. fliohan, got. (mit anderem Anlaut) Þliuhan, engl. to flee, schwed. fly ist dunkel. Zu »fliehen« gehören das unter 2↑ Flucht behandelte Substantiv mit seinen Ableitungen und… …   Das Herkunftswörterbuch

  • fliehen — V. (Mittelstufe) sich schnell und unbemerkt von einem Ort entfernen Synonym: flüchten Beispiel: Die Diebe sind durch das Fenster geflohen. Kollokation: vor dem Gewitter fliehen …   Extremes Deutsch

  • fliehen — [Aufbauwortschatz (Rating 1500 3200)] Auch: • flüchten Bsp.: • Die Soldaten flohen in wilder Unordnung …   Deutsch Wörterbuch

  • fliehen — fliehen, flieht, floh, ist geflohen Der Einbrecher ist sofort geflohen …   Deutsch-Test für Zuwanderer

  • Fliehen — 1. Besser fliehen, als lange herumziehen. 2. Besser geflohen, als übel gefochten. – Körte2, 1788. Dän.: Bedre at flye, end ilde at fegte; og den som flyer kand fegte igien. Frz.: Bonne fuite vaut mieux que mauvaise attente. (Gaal, 475.) – Il vaut …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • fliehen — abspringen; verschwinden; (sich) vom Acker machen (umgangssprachlich); den Fisch machen (umgangssprachlich); flüchten; (sich) zurückziehen; türmen (vor); …   Universal-Lexikon

  • Fliehen — Flucht; Entkommen; Abhauen (umgangssprachlich); Durchbrennen * * * flie|hen [ fli:ən], floh, geflohen <itr.; ist: sich in großer Eile, Hast entfernen, um sich vor einer Gefahr in Sicherheit zu bringen: sie flohen vor dem Unwetter; sie floh… …   Universal-Lexikon

  • fliehen — flie·hen [ fliːən]; floh, ist geflohen; [Vi] (aus etwas, vor jemandem / etwas) (irgendwohin) fliehen (aus Angst oder um einen sicheren Platz zu suchen) schnell und meist heimlich einen Ort verlassen ≈ flüchten <vor den Feinden, dem Unwetter… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • fliehen — 1. ↑ flüchten (1). 2. aus dem Weg gehen, ausweichen, sich fernhalten, scheuen, umgehen, zu vermeiden suchen; (geh.): sich entziehen, meiden; (ugs.): einen [großen] Bogen machen. * * * fliehen:1.〈sicheinerGefahrentziehenwollen〉davonlaufen·flüchten·… …   Das Wörterbuch der Synonyme

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