J

J

J, welches wenn es das Zeichen eines Mitlautes ist, Jod genannt wird, ist, wenn man den vorigen Selbstlaut J besonders zählet, der zehente Buchstab des Deutschen Alphabetes. Man unterscheidet ihn in der kleinern Schrift von dem vorigen durch den nach unten zu verlängerten Strich j, in der größern aber ist zwischen ihm und dem vorigen Selbstlaute noch kein Unterschied eingeführet, obgleich solches sehr leicht seyn würde. Man hat daher hier einen Versuch gemacht, den Consonant J von dem Vocal I zu unterscheiden. Vermuthlich ist dieser Unterschied darum unterlassen worden, weil man glaubte, das Jod sey durch seinen Stand hinlänglich von dem I unterschieden, weil es zu Anfange eines Wortes alle Mahl einen Vocal, der Selbstlaut I aber alle Mahl einen Consonanten nach sich hat. Um diesen Unterschied durch nichts zu unterbrechen, pflegt man auch das selbstlautende lange I zu Anfange eines Wortes niemahls ie zu schreiben, weil es sonst je lauten würde; Isopp, nicht Iesopp. In ihm, ihn, ihr, ihnen ist statt des ie ein ih angenommen worden.

Hieraus erhellet zugleich, daß diejenigen Unrecht haben, welche je, jeder, jemahls, jemand, jetzt u.s.f. ie, ieder, iener, iemahls, iemand, itzt schreiben, und ih, ihder, ihner, ihmahls, ihmand, itzt, sprechen; eine Sprechart, welche den Oberdeutschen eigen ist, aber in Obersachsen wirklich nicht so häufig angetroffen wird, als uns manche Sprachlehrer bereden wollen. Herr Rector Heinz hält diese Sprechart für die richtige, und glaubt, das j stamme von der unrichtigen Schreibart der Mönche her. Aber ist es wohl wahrscheinlich, daß ein Paar Mönche im Stande seyn sollten, die herrschende Aussprache einer ganzen großen Nation zu bestimmen? Die schmelzendere Aussprache mit dem Jod stammet in diesen und andern Fällen zunächst aus Niedersachsen her, und ist im Hochdeutschen allgemein. Im Oberdeutschen hat das ie und i den Vorzug.

Was die Aussprache dieses Buchstabens betrifft, so ist er der weichste unter den Gaumenbuchstaben, welcher entstehet, wenn sich die Zunge hinten an den Gaumen leget; ein Laut, welcher ganz natürlich entstehet, wenn der Selbstlaut i mit einem andern Selbstlaute zusammen schmelzet; daher Lilie, Petersilie, Linie, Pinie u.s.f. im geschwinden Sprechen häufig Lilje, Petersilje, Linje, Pinje lauten. Die Franzosen sprechen das Jod wie sch, die Engländer aber wie dsch aus. Journal, Schirrnal, James, Dschemes.

Die Niedersächsische Mundart, welche unter allen die weichste und zärtlichste ist, macht von diesem Laute einen vorzüglich starken Gebrauch. Besonders schiebt sie ihn dem h und den stärkern Gaumenlauten g und ch unter. Glöjen, glühen, bröjen, brühen, jähnen, Jäscht, jälfern, jappen, jegen, Jegene, Jicht, jähren, für gähnen, Gäscht, gälsern, gaffen, gegen, Gegend, gähren; dagegen sie gunnen für jener, und gunsiet für jenseit spricht und schreibt. Viele Niedersachsen bringen diesen weichen Laut mit in das Hochdeutsche, und daher rühret es auch, daß Herr Heynatz, ein Märker, jähnen, jäschen und Jäscht geschriehen haben will, welches wider die reine Hochdeutsche Aussprache streitet. Jähe ist zweifelhaft, oder vielmehr, es ist gleichgültig, ob man gähe oder jähe schreibet, weil beydes gleich üblich ist, obgleich das erstere den Vorzug zu verdienen scheinet.

Die Hochdeutschen Abstracta auf e und ey, endigen sich in Niedersachsen gern auf ije und je; Gachelije, Gaukeley, Horije, Hurerey, Koopfaardije, Kauffahrdey, Kibbelije, Kampeley, Häpje, Hoffnung, gleichsam Hoffe. So wie auch einige Diminutiva statt des Hochdeutschen chen daselbst auf ja gemacht werden. Götje, Gottfriedchen, Greetje, Gretchen, Kliitjes, Klößchen, Grapjes, Grillen, Holtjes, Holzäpfel; obgleich das -ken in andern Fällen üblicher ist. Eben so häufig wird es den Selbstlautern zu Anfange einer Sylbe müßig vorgesetzt. Hötjer, Hüter, Hutmacher, jik, euch, jummer, immer, ju, ji, ihr, Jidder, Guter.

Das letztere ist mehrern so wohl ältern als neuern mitternächtigen Sprachen und Mundarten eigen. Jup stehet bey dem Ulphilas für up, auf, für aeta, sagen die Schweden jaeta, für efa, zweifeln, jefa, für Earl Jarl u.s.f. Auch die Hoch- und Oberdeutsche Mundart ist nicht frey davon; denn in Jahr, Joch, jung, je u.a.m. ist das j ein bloßer müßiger Vorsatz, so wie es in vielen andern in die härtern Gaumenlaute g, ch und k übergegangen ist. S. diese Buchstaben.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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