Reuen

Reuen

Reuen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und ehedem in einem weitern Umfange der Bedeutung üblich war, als jetzt. Es bedeutete,

1. * Wehklagen, ächzen, schreyen, welches letztere vermittelst des vorgesetzten Zischlautes davon abstammet. Mit mihilon riuuuon, Ottfr. mit großem Geschrey, Wehklagen. Auch bey dem Ulphilas ist Hraiwa dubono saguk ein Paar Turteltauben, eigentlich, ein Paar ächzender Tauben. Reuen ist in dieser ersten eigentlichen aber längst veralteten Bedeutung eine Onomatopöie, welche den Laut des Wehklagens selbst nachahmet. Siehe Schreyen.

2. * Kummer, Schmerzen über etwas empfinden, und solches an den Tag legen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es auch ein Activum war, und mit der vierten Endung der Sache verbunden wurde. Thie sulih riuuetin, welche Kummer darüber empfanden, es beklagten, Ottfr. Ir rewet mih, ihr dauert mich, Stryk. Thie dati sie ryuun, sie bedauerten die That, Ottfr. Auch im Angels. ist hreowan traurig, betrübt seyn, und unser Trauer, traurig, stammt vermittelst des vorgesetzten t davon ab, so wie auch grauen damit verwandt ist, indem man in einigen Oberdeutschen Mundarten für reuen auch rauen sagt. Riuni ist bey dem Ottfried Widerwärtigkeit, dasjenige, was Kummer verursacht.

3. In noch engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, 1) Reue, d.i. Unlust, über eine begangene Handlung empfinden und an den Tag legen; in welchem Verstande es doch nur in dem zusammen gesetzten bereuen üblich ist. 2) Reue, d.i. Unlust, über eine begangene Handlung verursachen, mit der vierten Endung der Person, und der ersten der Sache. Die Sache reuet mich. Sein Verbrechen reuet ihn. Fast fängt mich meine Neugier an zu reuen, Weiße. Mein Betragen hat mich noch nicht gereuet. Wird es sie bald reuen? Gell. Also reuete den Herrn das Übel, 2 Mos. 32, 14. Damit mich auch reuen möchte das Übel, das u.s.f. Jer. 26, 2. Ingleichen als ein unpersönliches Reciprocum mit dem Vorworte daß. Es reuet mich, daß ich ihn beleidigt habe. Es reuet ihn noch nicht, daß er es gethan hat. Wird es dich bald reuen, daß u.s.f. Denn es reuet mich, daß ich sie gemacht habe, 1 Mos. 6, 7. Statt welcher Wortfügung auch zuweilen die zweyte Endung des Nennwortes gebraucht werden kann. Du lässest dich des Übels reuen, Jon. 4, 2. Es reuet mich der That, für: die That reuet mich.

Dieses Zeitwort erfordert allemahl die vierte Endung der Person. Es ist also ein Fehler, wenn manche es mit der dritten verbinden, obgleich dieser Fehler nicht neu ist. Daz rauuota mir, Notker. Da reuete es ihm, daß er die Menschen gemacht hatte, 1 Mos. 6, 6. Da reuete dem Herrn das Übel, Jerem. 26, 19. In welchen und andern Stellen der Dativ vielleicht von der Unbeständigkeit der Herausgeber und Correctoren herrühret, indem in andern richtiger die vierte Endung stehet.

Anm. In der letztern engern Bedeutung schon bey dem Ottfried riuan, im Nieders. rouen und rijen, im Engl. to rue. Ehedem war es auch ein irreguläres Zeitwort, denn bey dem Ottfried lautet das Imperfectum einige Mahl rou für rjuuete. Übrigens ist für reuen im Hochdeutschen auch das verstärkte gereuen üblich, welches in allen Fällen für dasselbe gebraucht werden kann. Siehe dasselbe.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • reuen — reuen:⇨bereuen reuen→bereuen …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • reuen — V. (Oberstufe) geh.: tiefes Bedauern bei jmdm. erregen Beispiele: Es tut mir Leid, dass ich ihr nicht geholfen habe, das wird mich bis ans Ende meines Lebens reuen. Der Kauf des gebrauchten Autos reute ihn entsetzlich …   Extremes Deutsch

  • reuen — obs. f. raven n.1 …   Useful english dictionary

  • reuen — Reue: Das westgerm. Substantiv mhd. riuwe, ahd. ‹h›riuwa, niederl. rouw, aengl. hrēow, das mit der nord. Sippe von aisl. hryggr »traurig, betrübt« verwandt ist, bedeutete ursprünglich »seelischer Schmerz, Kummer«, dann speziell »Schmerz über… …   Das Herkunftswörterbuch

  • reuen — [rai:n] 1. bedauern, sich um etw./jmdn. sorgen (der Bub reut mich, bei dem Sauwetter muss er naus...) 2. bereuen (das wird dich noch reuen, dass d so gräuslich zu mir warst...) …   Bayrische Wörterbuch von Rupert Frank

  • reuen — reu|en [ rɔy̮ən] <itr.; hat: a) (etwas) als ein begangenes Unrecht empfinden und tief bedauern, (über etwas) Reue empfinden, (jmdm.) leidtun: die Tat reute sie; es reute ihn, so hart gewesen zu sein. Syn.: ↑ bereuen. b) nachträglich als falsch …   Universal-Lexikon

  • reuen — reu·en; reute, hat gereut; [Vt] 1 etwas reut jemanden etwas erfüllt jemanden mit Reue: Es reute ihn, dass er sich so schlecht benommen hatte 2 etwas reut jemanden jemand ärgert sich, weil er etwas Falsches getan hat: Es hat mich schon längst… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • reuen — reue …   Kölsch Dialekt Lexikon

  • reuen — reu|en; es reut mich …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Reuen — 1. Es reuet zu spät die Maus, wenn die Katze sie hat bei der Kraus . 2. Es rewet selten einen Mann, wann er was mit raht gethan. – Gruter, III, 36; Loci comm., 30; Lehmann, II, 157, 178. 3. Herzlich gereuet ist genug gebüsst. Herzlich bereut aber …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”