Rocken (2), der

Rocken (2), der

2. Der Rocken, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein Nahme einer Getreideart, welche braune oder bräunliche ovalrunde Körner trägt, und ein schwärzeres und gröberes Mehl gibt als der Weitzen, in der Botanik aber, durch die aus zwey gegen einander über stehenden Blättchen bestehende Hülle, welche zwey Blüthen einschließt, von den übrigen Getreidearten unterschieden wird; Secale L. Der Nahme Rocken, oder in einigen Gegenden Rockenkorn, ist in der südlichen Hälfte Deutschlands am gangbarsten, in der nördlichern nennt man dieses Getreide auch Korn, so wie man es in einigen Oberdeutschen Gegenden nur Kern und Frucht nennet. Weil diese Pflanze in Creta oder Candia wild wächst, so glaubt man, daß sie von dort in dem übrigen Europa verbreitet worden. Zu Plinii Zeiten war der Rocken noch schlecht und bitter, Secale deterrimum et tantum ad arcendam famem. Noch jetzt verachten die Bewohner wärmerer Länder das Rockenbrot, als ein grobes und sprödes Brot. Plinius gedenkt dessen als einer Getreideart, welche von den Taurinern an dem Fuße der Alpen gebauet worden, von wannen es vielleicht in die übrigen Europäischen Länder gekommen. In einem alten, in Oberdeutschland gedruckten, Vocabulario wird der Rocken auch Senkel genannt, welches mit dem Lat. Secale genau überein kommt.

Anm. Der Nahme ist so alt und ausgebreitet, als die Frucht selbst. Bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern heißt sie Roggo, im Nieders. Rogge, im Holländ. Roghe, im Angels. Ryge, im Engl. Rye, im Dän. Rugen, im mittlern Lateine Rogga, im Wallis. Rhyg, im Wend. Roch, im Schwed. Råg, im Esthländ. Ruchit, Roet, im Dalmat. Raax, und mit andern Endlauten bey den ältern Dänen Rooff, bey den Finnen Ruvis, bey den Ungarn Ros. Stieler leitet es von Korn, durch Versetzung, Frisch aber von rauh her, weil es ein gröberes Brot gebe als der Weitzen. Wachter, Ihre und andere wagen nichts. Indessen scheinet es doch, daß dieses Wort, so alt es auch ist, kein anderes ist, als unser Rogen, welches ehedem Frucht überhaupt bedeutete, und wovon unser Frucht selbst abstammet, (S. Rogen,) und wohin so wohl die letzte Hälfte des Lat. Farrago, als auch vielleicht das Finnländ. Rucho, eine Pflanze, gehöret. Wird doch der Rocken in vielen Gegenden nur schlechthin Frucht genannt. Auf ähnliche Art ist das Schwed. Romm, Fischrogen, mit dem Lat. Frumentum verwandt. Indessen könnte auch der Begriff eines Kornes in der weitesten Bedeutung in Betrachtung kommen, indem das Wend. Roch Rocken, dessen Dimin. Rochka, Rozka aber ein jedes Körnchen bedeutet. Bey dem Plinius kommt auch der Nahme Arinca für Rocken vor, welches gleichfalls mit Rocken verwandt ist, indem das a in vielen Lateinischen Wörtern ein müßiger Vorsatz, das n aber überall oft ein bloßer Begleiter der Gaumenlaute ist.

Viele Hochdeutsche Sprachlehrer, wohin auch Gottsched gehöret, haben sich durch die weichere Niederdeutsche Sprechart verleiten lassen, die Schreibart Roggen für die einzige wahre auszugeben, ungeachtet alle Hoch- und Oberdeutsche Zungen sehr deutlich Rocken sprechen. Es ist der Niederdeutschen Mundart eigen, den Hoch- und Oberdeutschen harten Mitlautern in vielen Fällen die weichern unterzuschieben, und was wollte aus der Hochdeutschen Sprech- und Schreibart werden, wenn ihr diese Weichlichkeit als eine Regel aufgedrungen werden sollte? Dann müßte man auch Rüggen für Rücken, Brügge für Brücke, dröge für trocken, dod für todt u.s.f. schreiben und sprechen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rocken (1), der — 1. Der Rocken, des s, plur. ut nom. sing. ein im Spinnen und bey dem Spinnen übliches Wort. 1) Ein Werkzeug, Flachs, Hanf und Wolle daran zu spinnen, welches aus einem langen, gedrechselten Stocke mit einem Fußtritte bestehet, und auch ein… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Röcken — Stadt Lützen Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Rocken — 1. Den Rocken, den man angelegt, muss man auch abspinnen. Lat.: Colo quod aptasti, tibi ipsi nendum est. – Tute hoc intristi, tibi omne exedendum est. (Egeria, 33; Gaal, 345.) 2. Einer legt den Rocken an, der andere muss ihn abspinnen. Die Russen …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Rocken — Rocken, 1) (Rockenstecken), ein Stecken auf einem besonderen kleinen Fußgestell, an welchen der Flachs od. Hanf gebunden wird, den man am Rade od. an der Spindel spinnen will. 2) (Rockenstock), ein kurzer gedrechselter Stab, am Gestelle des… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Rocken — (Wocken, Kunkel), am Spinnrade der hölzerne Stab, auf den das vorrätige Spinnmaterial gebunden wird …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • rocken — V. (Mittelstufe) nach Rockmusik tanzen Beispiel: Das ganze Publikum hat vor der Bühne gerockt …   Extremes Deutsch

  • Rocken — Spinnerin mit Spindel und Rocken („La Fileuse“, 1873) von William Adolphe Bouguereau (1825–1905) Der Rocken (Spinnrocken, Kunkel, Dieße) ist ein meist stabförmiges Gerät, an dem beim Spinnen die noch unversponnenen Fasern befestigt werden.… …   Deutsch Wikipedia

  • rocken — rọ|cken 〈V. intr.; hat; umg.〉 1. nach Rockmusik tanzen 2. Rockmusik spielen [<engl. rock „wiegen, schütteln“] * * * rọ|cken <sw. V.; hat [engl. to rock]: a) Rockmusik machen; b) nach Rockmusik tanzen, sich im Rhythmus der Rockmusik… …   Universal-Lexikon

  • Rocken — Rọ|cken 〈m. 4〉 hölzerner Stab, um den die zu verspinnenden Fasern geschlungen sind; Sy Spinnrocken, Kunkel [<ahd. rocko, roc(c)ho, engl. rock; zur idg. Wurzel *ruk „spinnen, Gespinst“; → Rock1] * * * rọ|cken <sw. V.; hat [engl. to rock]:… …   Universal-Lexikon

  • Rocken — Rọ|cken, der; s, (Spinngerät) …   Die deutsche Rechtschreibung

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”