Stimme, die

Stimme, die

Die Stimme, plur. die -n, Diminutivum, welches nur in der vertraulichen Sprechart von einer schwachen, feinen und angenehmen Stimme üblich ist, das Stimmchen, Oberd. Stimmlein, der Laut, welchen organische Geschöpfe durch die Luftröhre von sich geben, lautbar oder hörbar gemachter Athem.

1. Im weitesten Verstande. Die meisten Fische haben keine Stimme, weil die wenigsten eine Lunge haben, welche zur Stimme unentbehrlich ist. Die Stimme des Löwen, der Vögel des Himmels, in der Deutschen Bibel. Der Löwe hat eine furchtbare Stimme.


Ein Esel wollt – auf öffentlichen Gassen,

Sein lieblich Stimmchen hören lassen,

Lichtw.


Eben derselbe sagt von einem Gimpel:


Sein Stimmchen machte schlechten Staat.


Figürlich leget man auch wohl leblosen Dingen, die durch das Gehör empfunden werden, in der dichterischen Schreibart eine Stimme bey. Die Stimme des Donners, in der Deutschen Bibel. Die schreckende Stimme des Donners schweigt, Geßn. Die Stimme des Getümmels, einer Posaune, der Trompete, der Pfeifen und Harfen u.s.f. für Laut, Schall, Klang, lassen sich nur in der dichterischen Schreibart nachahmen.


– Sie ruft die Glocke bereits mit silberner Stimme

Zu dem ländlichen Tisch,

Zachar.


2. In engerer Bedeutung, die menschliche Stimme, wo dieses Wort eigentlich den durch die organischen Sprachwerkzeuge hörbar gemachten Athem bezeichnet, der zur Sprache wird, wenn die Stimme und die einzelnen Laute, die sie umfasset, Zeichen der Empfindungen und Gedanken werden.

(1) Eigentlich. Eine grobe, eine feine, eine klare Stimme haben. Er sagte mit lauter Stimme. Seine Stimme erheben, sinken lassen. Seine Stimme hören lassen. Die Stimme verändern. Für Rede, wie es in der Deutschen Bibel mehrmahls gebraucht wird, z.B. Gott erhöre meine Stimme, würde es sich allenfalls noch in der dichterischen Schreibart gebrauchen lassen.

(2) In engerer Bedeutung, bedeutet es in der Musik. (a) Die Beschaffenheit der Stimme, so fern sie sich zum Gesange schickt. Eine gute Stimme haben. Keine Stimme haben, keine zum Gesange taugliche Stimme. Stimme zum Singen haben. Die Stimme verlieren. Hier wird der Plural nur von mehrern Arten gebraucht. (b) Die Arten der Stimme in Ansehung der Tiefe und Höhe heißen in der Musik gleichfalls Stimmen. Die Discant-Stimme, Alt-Stimme, Tenor-Stimme, Baß-Stimme. Eine Stimme singen. Da denn auch die für jede Stimme geschriebenen Noten die Stimme genannt werden. In weiterm Verstande heißen auch die für jedes musikalische Instrument geschriebenen Noten Stimmen. Die Violin-Stimme, die Noten für die Violine.

(3) Figürlich. (a) In der höhern und dichterischen Schreibart ist die Stimme die Wirkung eines leblosen Dinges auf das Erkenntniß und Begehrungsvermögen. Die Stimme der Natur, die Überzeugung, welche durch den Zusammenhang der natürlichen Dinge in uns gewirket wird. In einem andern Verstande ist die Stimme der Natur, der natürliche Trieb. Das große Interesse des Menschen liegt also darin, daß er dieser Stimme der Natur, die ihn zum Schönen, zum Guten hinruft, gehorsam werde, Sulz. In so weit wir bloß dieser Stimme der Natur, die unsre Herzen einander zuführen will, folgen, in so weit ist es noch keine Tugend, Gell. Die Stimme des Blutes, die Empfindung, welche aus der nahen Verwandtschaft entspringet. Man höre bey seiner achtsamen Wahl zuerst auf die Stimme des Herzens, Gell. (b) Die durch Worte oder Zeichen ausgedruckte Meinung in der Berathschlagung mehrerer. Sechs Stimmen waren für, und sechs wider die Sache. Die Stimmen sammeln. Die meisten Stimmen gelten. Wo es in engerer Bedeutung auch die beyfallende, bejahende Stimme dieser Art bedeutet. Er hatte alle Stimmen. Seine Stimme zu etwas geben. (c) Das Recht, in der Berathschlagung mehrerer, seine Stimme zu geben, d.i. seine Meinung, sein Urtheil zu sagen, das Stimmrecht, ohne Plural. Sitz und Stimme im Rathe, in einem Collegio, im Kapitul u.s.f. haben. Jemanden seine Stimme nehmen. (d) An verschiedenen musikalischen Instrumenten ist die Stimme ein Theil, welcher den Klang oder Ton des Werkzeuges bestimmet. So ist es ein aufgerichtetes Hölzchen in den Geigen, welches den Resonanz-Boden in die Höhe hält. An den Pauken wird der Trichter über dem runden Loche an dem Paukenkessel, sowohl das Schallstück, als die Stimme genannt.

Anm. Schon im Isidor und bey dem Kero Stimma, im Tatian Stemmi, bey dem Notker ohne Zischlaut Timmo, im Nieders. Stemme, im Schwed. Stämma, im Angels. Stemn, und mit andern obgleich verwandten Endlauten im Angels. Stefen, bey dem Ulphilas Stibna, und im Lappländ. Stiubne, (S. Staben). Das Griech. σομά, welches unter andern auch die Stimme bedeutet, ist nahe damit verwandt. S. das folgende.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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