Strich, der

Strich, der

Der Strich, des -es, plur. die -e, Diminut. das Strichlein, zusammen gezogen Strichel, im gemeinen Leben der Hochdeutschen auch Strichelchen. Von dem Zeitworte streichen.

I. Von dem Neutro, sich schnell fortbewegen. 1. Die Handlung dieses Streichens, doch nur in einigen Fällen. Einen Strich durch ein Land thun, wofür doch im Hochdeutschen Streif üblicher ist. Der Strich der Vögel, ihr Abzug im Herbste, und Rückzug im Frühlinge. In einem Striche, ohne Unterbrechung. In Einem Striche weg arbeiten, schreiben u.s.f. 2. Der Weg, die Richtung, welche man im Streichen nimmt; gemeiniglich ohne Plural, aber auch nur in einigen Fällen. Das Kriegesheer nahm seinen Strich dahin, Stettler; wofür man im Hochdeutschen lieber Weg oder Zug gebraucht.


Ich bin dem geilen Sündenstrich

Wie eine Hündinn nachgerennet,


sagt Gryphius eben so ungewöhnlich für Sündenweg. Doch sagt man im Hochdeutschen der Strich des Gewitters, der Wolken, der Weg, nach welchem sie ziehen. Der Strich des Windes oder der Windstrich, die Richtung, nach welcher er gehet, welcher auf den Seekarten durch gerade Linien angedeutet wird, welche alsdann gleichfalls Striche heißen. Der Strich des Holzes, die Richtung, nach welcher die Holzfasern gehen; nach dem Striche, ihnen nach, wider den Strich, ihnen entgegen. So auch der Strich eines Zeuges u.s.f. Ein Kleid nach dem Striche, wider den Strich bürsten. Die Fische gehen, wenn sie ihre Nahrung suchen, allemahl dem Strohme entgegen, daher man, um sie zu fangen, zu Striche stellen muß. 3. So viel Dinge Einer Art, als mit einander in Gesellschaft streichen, wo es doch nur von den Vögeln üblich ist. Ein Strich Lerchen, Repphühner u.s.f. ein Flug, so viel als ihrer mit einander fliegen. 4. Von streichen, leichen, ist der Strich ohne Plural, sowohl die Handlung des Leichens, als auch die junge Brut, der Leich, oder Samen, welcher im ersten Jahre der Strich heißt.

II. Von dem Activo, an der Oberfläche eines Körpers hin bewegen. 1. Die Handlung des Streichens, d.i. der Bewegung der Länge nach auf der Oberfläche eines andern Körpers, doch nur in einigen Fällen. Einen Strich mit dem Pinsel thun, Ein Mahl mit dem Pinsel auf einen andern Körper streichen. Einen Strich auf der Geige thun, mit dem Bogen Ein Mahl auf den Saiten streichen; wo Strich zuweilen auch die Art und Weise bedeutet, wie man eine Geige streicht: einen freyen, leichten, schweren Strich haben. Der Strich der Lerchen oder noch häufiger der Lerchenstrich, der Fang der Lerchen mit dem Streichgarne. Der Strich war gut, sagt man, wenn man auf diese Art viele Lerchen gefangen. Den Strich halten, die Handlung des Streichens auf dem Probiersteine aushalten, d.i. von gutem Gehalte seyn, von Gold und Silber, welche durch den Strich probieret werden. Figürlich auch wohl von andern Dingen, bewährt befunden werden, ob gleich hier die R.A. Stich halten üblicher ist. Und so vielleicht noch in einigen andern Fällen. 2. Das Product des Streichens, besonders die Linie, welche entstehet, wenn man mit einem färbenden Körper auf der Oberfläche eines andern hinfähret. Einen Strich machen. Ein Strich mit der Feder, mit der Kreide, mit dem Pinsel. Hier macht er einen Strich mit Biere, Günth. Einen Strich durch eine Rechnung machen, sie durchstreichen, ingleichen Figürlich, jemandes Hoffnung, Erwartung, Vorhaben vereiteln. Nieders. Streek, Schreve, von schreiben, bey dem Ulphilas Striks, im Schwed. Strek, Angels. Strice, Engl. Streak. Das Komma wird daher im Deutschen auch der Strich genannt: einen Strich machen. S. auch Strichpunct. In weiterm Verstande heißen auch mehrere Arten von Linien, wenn sie gleich nicht auf die obige Art entstehen, Striche, dergleichen die Striche in den Händen und dem Gesichte sind, die Linien in der Haut. Bey den Probierern ist der Strich die breite gefärbte Linie auf dem Probiersteine, welche entstehet, wenn man ein Metall auf denselben streichet oder reibet. Am häufigsten werden Gold und Silber auf diese Art probieret, da man denn von der Farbe des Striches auf die Reinigkeit des Metalles schließet. Zuweilen ist der Strich auch eine Linie von bestimmter Breite. So wird der zehnte Theil eines Zolles, welcher doch unter dem Nahmen der Linie am bekanntesten ist, im gemeinen Leben oft der Strich genannt. In weiterer Bedeutung ist der Strich oft so viel als ein Streifen, Ital. Stricca. Ein schwarzes Pferd mit weißen Strichen. Das Pferd hat einen schwarzen Strich über den Rücken. Auch ein Streifen Zeuges wird in vielen Fällen ein Strich genannt, dahin z.B. die Haubenstriche des andern Geschlechtes gehören. In Thüringen ist das Strichel (nach einer verderbten Aussprache Striegel,) im Diminut. ein Stück Feldes, welches ungefähr Eine Ruthe breit, und von unbestimmter Länge ist. Ist es zwey Ruthen breit, so heißt es ein Sottel, wenn es drey Ruthen hat, eine Dreygerte, und wenn es deren vier hält, ein Gelänge. In noch weiterm Verstande heißt ein sich in unbestimmte Länge erstreckender Theil der Erdfläche häufig ein Strich; Angels. Strice, Engl. Stroak, Streak, Lat. ohne Zischlaut Tractus, im Deutschen auch Strecke. Ein fruchtbarer Strich Landes. Es ist noch ein guter Strich dahin, eine gute Strecke. Besonders werden in der Geographie gewisse Streifen der Erd- und Himmelskugel, welche mit dem Äquator parallel gehen, Erdstriche oder Himmelsstriche genannt; Zonae, bey einigen auch Erdgürtel, Himmelsgürtel. Die kalten Erd- oder Himmelsstriche, Zonae frigidae; die gemäßigten, temperatae; der heiße Erdstrich, Zona torrida. Wo Strecke nicht üblich ist. 4. Was gestrichen wird, dasjenige woran man streicht; doch nur in einigen Fällen. So werden die langen Zitzen an den Thiereutern in der anständigen Sprechart Striche oder Strichel genannt, vermuthlich, weil sie im Melken gestrichen werden. 5. Was gestrichen worden, gleichfalls nur in einigen Fällen. So ist ein Strich Ziegel, eine Quantität Ziegel, welche auf Ein Mahl gestrichen worden. Besonders ist es in einigen Gegenden ein Maß trockner Dinge, vornehmlich des Getreides, vermuthlich eigentlich so viel als in ein gestrichenes oder abgestrichenes Maß gehet. So ist der Strich ein bekanntes Getreidemaß in Böhmen, welches 4 Viertel, 16 Mäßel, oder 192 Seidel hält. Ein Strich ist so viel als 11/2 Dresdener Schäffel. Im Schwedischen ist strika, messen, dessen Abstammung und Bedeutung Herrn Ihre unbekannt war, der es gern von strika, polieren, ableiten wollte. Allein es scheinet eine Figur des Abstreichens des Gemäßes zu seyn. S. Streichen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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