- Versetzen
Versêtzen, verb. regul. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es doch nur von Thieren für verwerfen, die Jungen zu frühe oder in unvollkommenem Zustande zur Welt bringen, gebraucht wird, besonders bey den Jägern von solchen Thieren, von welchen man daselbst setzen für werfen oder gebähren sagt. Die Häsinn hat versetzt.
II. Als ein Activum, wo es nach Maßgebung der Partikel ver und des einfachen Zeitwortes in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird.
(1) An einen falschen, an einen nicht gehörigen Ort setzen; Schwed. försätta. Ein Buch ist versetzt, wenn es an einen falschen Ort gestellet ist. Die Gränzsteine versetzen, verrücken. In den Buchdruckereyen pflegt der Setzer zuweilen aus Versehen eine Zeile, ein Wort, einen Buchstaben zu versetzen, da man denn auch wohl reciproce sagt, er habe sich versetzt.
(2) An einen andern Ort setzten. Er versetzet Berge, ehe sie es innen werden, Hiob 9, 5. Ein Fels wird von seinem Ort versetzt, Kap. 14, 18. Reiß dich aus und versetze dich ins Meer, Luc. 17, 6. Die Bücher versetzen, sie umsetzen, in dem Bücherbrete an einen andern Ort setzen. Die Wörter einer Rede, die Sylben, die Buchstaben eines Wortes versetzen. Daher die Versetzung, eine Figur, Metathesis. Die Amtleute versetzen, sie auf andere Ämter setzen. Die Hofbedienten versetzen, ihnen andere Stellen geben. Eine Pflanze, ein Gewächs, einen Baum versetzen, an einen andern Ort, in eine andere Erde setzen, wo dieses Wort von verpflanzen noch verschieden ist. Verpflanzen gebraucht man gemeiniglich von jungen Pflanzen, welche man mit der Wurzel ausziehet und an einen andern Ort pflanzet; versetzen aber von erwachsenen Gewächsen aller Art, welche mit einem an den Wurzeln gelassenen Kloß Erde, und mit Beschneidung der Wurzeln in andere Erde oder an einen andern Ort gepflanzet werden. In das Reich Gottes versetzet werden. Unter die Zahl der Heiligen versetzen. Sich in Gedanken an einen Ort versetzen. Es wird Mühe kosten, sich in diese Begriffe zu versetzen. Ingleichen nach noch weiterer Figur, in einen gewissen Zustand bringen. Jemanden in andere Umstände versetzen. Das versetzt mich in die Nothwendigkeit, es dir abzuschlagen. Jemanden in das größte Elend, in einen blühenden Wohlstand versetzen. In Schrecken, in Freude, in Furcht versetzen.
(3) So daß ver eine Verbergung bezeichnet, und zwar auf doppelte Art. a) In die Tiefe setzen, doch nur bey den Schwertfegern, welche Gold- oder Silberblätter versetzen, wenn sie selbige in die gemachten kleinen Grundhiebe der stählernen Degengefäße mit dem Grundmeißel einschlagen; eine Art, Stahl mit goldnen und silbernen Figuren zu belegen. Figürlich versetzt sich bey den Jägern der Dachs, wenn er sich in der Geschwindigkeit in die Erde gräbt, so, daß die Hunde ihn nicht finden können, wofür auch verklüften üblich ist. b) Durch ein davor gesetztes Hinderniß versperren, verstopften. Eine Thür mit einem Schranke, eine Öffnung mit Fässern, den Eingang mit Steinen versetzen. Figürlich sagt man, das versetzt mir den Athem, wenn etwas das Athemhohlen hindert, z.B. eine große Hitze, Schwefeldampf, ein heftiger Gestank u.s.f. Die im Magen versetzten Winde, wofür auch verschlagen, üblich ist, wo aber auch die erste Bedeutung Statt findet. Im Hüttenbaue versetzt sich der Blasebalg, wenn er Feuer ziehet.
(4) So daß ver eine Vermischung, Verbindung bezeichnet. a) In den Künsten wird versetzen in vielen Fällen für vermischen gebraucht, besonders, wenn die Wirkung des einen Dinges durch die Beymischung des andern verändert werden soll. Zu den Glocken wird das Kupfer mit Zinn versetzt. Den Wein mit Wasser versetzen. Die Mahler versetzen die Farben, wenn sie eine Farbe mit der andern verbinden. Das Schwarzwildbret färbet sich nicht, sondern versetzet nur im Herbste seine dunkelbraune Sommerfedern (Sommerhaare,) mit hellgrauen Winterfedern, bey den Jägern. b) Hierher scheinet auch die im Oberdeutschen übliche Bedeutung zu gehören, wo dieses Zeitwort in verschiedenen Fällen gebraucht wird, eine schickliche Vertheilung und Verbindung mehrerer Dinge zu einem Ganzen zu bezeichnen. Eine Krone mit Perlen, ein Portrait mit Diamanten versetzen, besetzen. Versetzte Edelsteine, gefaßte. Blumen in einem Kranze versetzen, ordnen, vertheilen. Die Beete in einem Garten versetzen, vertheilen. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung unbekannt.
(5) Jemanden einen Schlag, einen Hieb, eine Ohrfeige versetzen, geben, beybringen. Ihm einen Streich auf den Rücken versetzen. Jemanden eins versetzen, einen Schlag, Hieb oder Stich. Ver scheint hier eine bloße Intension zu bezeichnen. (6) Ein Ding anstatt des andern, für das andere setzen. a) Schlechte Geldsorten gegen bessere versetzen, wofür doch im Hochdeutschen umsetzen üblicher ist. b) Zum Pfande setzen oder geben, verpfänden. Der Bürge hat sich selbst für dich versetzt, Sir. 29, 20. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch von Sachen. Die Aecker versetzen, Nehem. 5, 3. Besonders von beweglichen Dingen, für das edlere verpfänden. Seine Uhr, seine Kleider, ein Goldstück bey jemanden versetzen, Geld darauf borgen. Es ist für zehn Tahler versetzt. Versetzte Sachen einlösen. Schon im Schwabenspiegel versezzan, bey andern ehedem auch nur setzen, im mittlern Lat. opponere. c) Hierher gehöret auch vermuthlich die sehr gangbare Bedeutung, da es für antworten gebraucht wird, eigentlich, auf die Rede des andern folgen lassen, derselben entgegen setzen, so daß ver hier eben die Bedeutung hat, als ant oder ent in antworten, und re in dem Lat. respondere, dem Ital. repartire, und dem Franz. repartir. Auf die Frage, ob er es nicht gethan habe, versetzte er, daß er es nicht thun können, indem u.s.f. Aber wie, versetzte er, kann dieses möglich seyn? Als er ausgeredet hatte, versetzte ich ganz gelassen, er sey nicht im Stande, darüber zu urtheilen. Er versetzte darauf, u.s.f. Stosch behauptet an mehrern Orten seines Versuchs einer richtigen Bestimmung u.s.f. versetzen bedeute eigentlich, jemanden eine empfindliche, beißende Antwort ertheilen. Allein, dazu hat ihn bloß die geglaubte Abstammung von der R.A. jemanden einen Schlag, Hieb u.s.f. versetzen, verleitet. Daß die Bedeutung des Antwortens keine Figur von dieser R.A. ist, erhellet unter andern auch aus der Wortfügung beyder; jenes ist ein eigentliches Activum, welches seinen Accusativ allemahl bey sich haben muß; dieses hat die Gestalt eines Neutrius, und wird nicht leicht mit einem Accusativ verbunden. Auch der Sprachgebrauch weiß nichts von dem Begriffe des Empfindlichen oder Beißenden, welcher mit versetzen verbunden seyn soll, indem solches völlig gleich bedeutend mit antworten gebraucht wird. Da setzen und Satz überdieß mehrmahls von der Rede gebraucht werden, so scheinet ver hier mit re und ent gleich bedeutend zu seyn, daher auch im mittlern Lateine opponere mehrmals für antworten vorkommt.
Daher die Versetzung und das Versetzen, welche doch nicht in allen Bedeutungen üblich sind.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.