- Durch
Durch, ein Partikel, welche in doppelter Gestalt üblich ist.
I. Als eine Präposition, welche mit der vierten Endung des Hauptwortes verbunden wird, und überhaupt eine Bewegung andeutet, welche die Bestandtheile eines Körpers von dem einen Ende bis zum andern trennet, oder sich doch längs der innern Theile eines schon getrennten Ganzen erstrecket.
1. Eigentlich, eine Bewegung zu bezeichnen, welche die Bestandtheile eines Körpers von einem Ende bis zum andern trennet. Ein Loch durch das Bret bohren. Durch das Papier stechen. Der Schuß ist durch den Küraß gegangen. Die Kugel fuhr durch die Mauer. Die Sonnenstrahlen dringen durch den Nebel. Durch den Strom schwimmen. Durch das Wasser waten. Das Wasser bricht durch den Damm. Das gehet mir durchs Herz, oder das gehet mir durch Mark und Bein, das rührt mich auf das empfindlichste. Einem durch den Sinn fahren, etwas seines Widerstandes ungeachtet thun. Einen Strich durch die Rechnung machen, jemandes Hoffnung, Erwartung vereiteln.
2. In weiterer Bedeutung, eine Bewegung längs der innern Theile eines schon getrennten Ganzen. Durch die Thüre gehen. Durch das Fenster, durch das Gitter sehen. Durch die Brille lesen, so fern das Glas den Lichtstrahlen den Durchgang verstattet. Durch die Finger sehen, Nachsicht gebrauchen, etwas stillschweigend verstatten, es ungehindert lassen. Durch das Haus gehen. Durch die Stadt, durch die Gassen fahren. Durch ein Land reisen. Durch den Wald gehen. Es gehet alles durch seine Hände. Haller gebraucht durch in dieser Bedeutung ein Mahl für über:
Zeuch Hannibal vom heißen Calpe
Durch Pennins nie bestiegne Alpe.
Vermuthlich hat ihn das Sylbenmaß dazu genöthiget; denn hier stehet es völlig an einem unrechten Orte. Die Präposition in dieser und der vorigen Bedeutung hinter ihr Hauptwort zu setzen, das Wasser bricht den Damm durch, er fuhr die Stadt durch, der Stier trabet die Fluren durch, ist ungewöhnlich. S. die Anm. In beyden Bedeutungen wird durch zuweilen von seinem Casu verlassen, obgleich diese Ellipsis nur im gemeinen Leben üblich ist. Ich bin noch nicht durch, d.i. durch das Bret, durch den Fluß u.s.f. Die Post ist noch nicht durch, durch die Stadt.
3. Figürlich. 1) Von der Zeitdauer. Gott hat seine Kirche durch alle Jahrhunderte erhalten. Der Kalender bestimmt die Feste durch das ganze Jahr. Zuweilen kann es in dieser Bedeutung hinter dem Hauptworte stehen. Das ganze Jahr durch. Alle Jahrhunderte durch. Ja in einigen Fällen muß es diese Stelle nothwendig haben. Ich habe die ganze Nacht durch gewacht. Wo er den Tag durch herum irret. Wo sich die Präposition ihrem Hauptworte nicht vorsetzen lässet. Allein, da man in dieser Bedeutung für durch auch hindurch sagen kann, so scheinet es hier mehr ein Adverbium, als eine wahre Präposition zu seyn. 2) Das Mittel, eine Wirkung hervor zu bringen. Durch Geld richtet man alles aus. Das ist nicht das Mittel, durch welches du deinen Endzweck erreichen wirst. Sie machen mich durch ihre Güte unruhig. Die Natur scheint mir durch ihn erst recht schön zu seyn. Durch langen Gebrauch abgenutzt werden. Athen blühete durch gerechte Gesetze, und durch unbändige Freyheit zerfiel die Republik. Wie gern möchte ich dich durch deine bisher unbefriedigte Leidenschaft zur Tugend zurück führen! Dusch. Ich will durch niemanden glücklich werden, als durch sie, Gell.
Wie mancher siegt durch eine freye Miene,
Der blöder ist, als Holz und Stein!
Gell.
Auch, obgleich seltener, wenn dieses Mittel zugleich den Gegenstand ausmacht. Durch das unterirdische Reich verstehet man u.s.f. Was verstehet er dadurch? Zuweilen wird dieses Wort gebraucht, wo doch mit schicklicher wäre. Ich weiß ihre Großmuth durch nichts als durch die empfindlichsten Thränen zu belohnen, Gell. besser mit.
Ich unterbreche dich
Durch gar kein Wort, bevor du selbst wirst schweigen,
Haged.
S. Mit. 3) Eine wirkende Ursache. Durch ihn bin ich glücklich geworden. Besonders bey den neuern Dichtern.
Durch ihn trabet der Stier sicher die Fluren durch,
Raml.
wo das erste durch hierher gehöret.
Durch dich schmückt die Hand des Frühlings mit
Tapeten unsre Grenzen,
Durch dich muß das Gold der Ähren in der Trauben
Purpur glänzen,
singt Kleist von Gott. Allein da dieser Gebrauch leicht eine Mißdeutung verursachen kann, indem der Begriff des Mittels sich gern mit einschleicht, wie in beyden Beyspielen unläugbar ist, so erfordert derselbe eine behuthsame Anwendung. 4) Für unter, doch nur in dem Ausdrucke durch einander. Alles durch einander mengen, mischen, werfen. II. Als ein Adverbium. 1. Für zerrissen, durchlöchert, im gemeinen Leben. Die Schuhe sind schon durch. 2. Durch und durch bedeutet in der gemeinen und vertraulichen Sprechart, vom Anfange bis zu Ende, von einem Ende bis zum andern. Jemanden durch und durch stoßen. Ich bin durch und durch naß. Von oben an gewürkt durch und durch, Joh. 19. 32. Gott heilige euch durch und durch, 1 Thess. 5. 27. In vielen Fällen kann man dafür in der edlern Schreibart mit durch zusammen gesetzte Verba gebrauchen; durchstoßen, durchnetzt, durchwirkt, die alsdann den Ton auf dem Verbo haben.
Anm. 1. Die mit dieser Präposition zusammen gesetzten Verba haben den Ton bald auf durch, bald aber auf dem Verbo; doch mit einem merklichen Unterschiede in der Conjugation und der Bedeutung.
1) Ist durch ein untrennbares Vorwort, welches seine Stelle vor dem Verbo durch die ganze Conjugation nie verlässet, so lieget der Ton auf dem Verbo. Die Verba dieser Art haben das mit andern, welche untrennbare Partikeln vor sich haben, gemein, daß sie in der vergangenen Zeit das ge nicht bekommen, und daß im Infinitive das zu seinen Platz vor der ganzen Zusammensetzung nimmt. Wir durchreísen fremde Länder. Er hat das ganze Land durchreíset. Er brennet vor Begierde, fremde Länder zu durchreisen.
Viele Verba dieser Art sind schon lange im gemeinen Gebrauche üblich gewesen, wie durchdríngen, durchtríeben, durchwáchsen, u.s.f. Allein die neuern Dichter haben ihre Anzahl gar sehr vermehret, und daher kommt es, daß die meisten derselben nur in der höhern Schreibart üblich sind. Man gebraucht sie alsdann, wenn das Verbum einfach stehen, und das Substantiv nebst der Präposition durch bey sich haben sollte, d.i. wenn der Accusativ unmittelbar von der Präposition und nicht von dem Verbo regieret wird. Der Nord durchbraúst die Fluren, für: der Nord braust durch die Fluren. Ein fröhlicher Ton durchraúscht die zitternden Saiten, für: rauscht durch die zitternden Saiten.
Hieraus erhellet zugleich, daß dergleichen Zusammensetzungen nicht gewaget werden dürfen, wenn sich der ganze Ausdruck nicht mit der Präposition durch auflösen lässet; ein Fehler, welchen man mit zahlreichen Beyspielen aus unsern neuern Dichtern belegen könnte.
Ein anderer Fehler, den ich aber, weil er so oft begangen wird, wohl kaum einen Fehler nennen darf, ist der, wenn durch in solchen Verbis als eine trennbare Partikel behandelt, und hinter das Verbum geworfen wird.
O schnitten wir mit gleichem Fluge
Die Lüfte durch, zur Ewigkeit!
Less.
für: durchschnitten wir.
Und ihre Regung drang die Wolken durch,
Kleist.
Wie manche Nachtigall am Elbestrome singt,
Streicht Thal und Wälder durch,
Opitz.
Selinde wandelte verdrießlich und allein
Den langen Garten durch,
Zachar.
Sonst rauscht ein fröhlicher Ton, wie er in Opern entzückt,
Die Saiten durch,
Zachar.
Wohin auch gehöret, wenn man diesen Verbis das Augmentum ge gibt, und das zu versetzt. In durchgewachten Nächten, Hall. für durchwachten. Ich war schon bereit, mein Leben einsam und traurig durch zu seufzen, Cron. für zu durchseufzen.
Der Eremite, der die Nacht
Im Kerker ungewiß und sorgend durchgewacht,
Less.
Es werden jetzt
Die Völker durchgesucht,
Schleg.
Denn ob man gleich im gemeinen Leben durchsuchen auf diese Art gebraucht, so hat doch der Dichter dieses für die Poesie zu niedrige Worte wohl gewiß nicht gebrauchen wollen.
Was die Bedeutung der auf diese Art zusammen gesetzten Zeitwörter betrifft, so haben sie, (a) die erste und zweyte Bedeutung der Präposition durch. Ein Papier durchstéchen. Seinen Freund durchbóhren. Die Luft durchflíegen. Ein Land durchreísen. (b) Werden sie auch in der engsten figürlichen Bedeutung, nehmlich einer Zeitdauer, gebraucht. Die Nacht durchwáchen. (c) Deuten sie auch an, daß sich die Handlung über alle Theile des Gegenstandes erstrecket. Das ganze Haus dursúchen. Reiche, die Satan durchherrscht, Klopst. Ein mehreres wird bey jedem Verbo ins besondere angemerket werden. Es ist dieses Vorwort aber,
2) Auch eine trennbare Partikel, welche in der Conjugation hinter des Verbum tritt, das letztere seines Augmentes nicht beraubet, und im Infinitive das zu zwischen sich und dem Verbo hat. In diesen Verbis lieget der Ton auf der Präposition, und sie behält denselben, sie mag auch eine Stelle bekommen, welche sie will. Wir werden uns nicht aufhalten, wir werden nur dúrchreisen. Er ist nur dúrchgereiset. Er bringet sein ganzes Vermögen dúrch. Es war unmöglich dúrchzukommen.
Diese Zusammensetzung findet Statt, (a) in der ersten und zweyten Bedeutung der Präposition, und gemeiniglich nur alsdann, wenn kein Accusativ vorhanden ist. Hast du dúrchgestochen? Er hält sich nicht auf, er reiset nur dúrch. Das Gedränge ist zu groß, ich kann nicht dúrchkommen. Ist aber ein Accusativ da, so wird die Präposition zuweilen wiederhohlet. Bohre durch das Bret dúrch. Stich durch das Papier dúrch. Wir sind durch den Fluß dúrchgegangen. Aber es gibt auch Fälle, wo Zusammensetzungen dieser Art den einfachen Accusativ der Sache bey sich haben, welcher aber alsdann nicht von der Präposition, sondern unmittelbar von dem Verbo regieret wird, so daß die Präposition hier ein bloßes Adverbium ist. Grabe den Damm dúrch. Er hat die Schuhe durchgegangen. Sich die Hände dúrchreiben, wund reiben. Soll sich der Accusativ unmittelbar auf die Präposition beziehen, so muß es heißen: durchgrabe den Damm. Wie auch, wenn durch in diesen Zusammensetzungen, (b) bloß die Bedeutung verstärket, und die Handlung über alle Theile des Ganzen ausdehnet. Jemanden dúrchprügeln. Ein Buch dúrchblättern. Eine Sache dúrchdenken u.s.f.
Man siehet hieraus, daß einerley Wort in einerley Bedeutung auf beyderley Art zusammen gesetzt seyn kann. Der ganze Unterschied bestehet oft bloß in der größern oder geringern Würde des Ausdruckes. Denn diejenigen Verba, wo der Ton auf der Präposition lieget, sind mehr der gewöhnlichen Sprechart eigen, dagegen die, welche den Ton auf dem Verbo haben, dem größten Theile nach für die höhere Schreibart gehören. Die mit um, unter und über zusammen gesetzten Verba werden auf eben dieselbe gedoppelte Art gebraucht.
Anm. 2. Dieses Wort lautet bey dem Kero duruh und durich, bey dem Übersetzer Isidors dhurah, bey dem Ottfried thuruh, in dem alten Gesetze Ludwigs und Lothars von 840 thuruhe, bey dem Willeram durh, bey dem Tatian thurah, im Angelsächsischen thurch, im Engl. through. Es ist allem Ansehen nach ein zusammen gesetztes Wort, welches am Ende der Sylbe ich bekommen hat. Das alte Gothische thair, das Holländ. deur, und Nieders. dör haben diesen Anhang nicht. Es scheinet zu dem Worte Thor, Thür zu gehören, welches sich bereits in den allerältesten Sprachen befindet. Auch das Griech. τεξεω, durchbohren, das Latein. tero, Schwed. taera, durchdringen, scheinen dahin zu gehören. Wenigstens kommt die Bedeutung beyder Wörter mit dieser Ableitung sehr gut überein. Ehedem gebrauchte man dieses Vorwort auch für um, wegen und mit.
Sie tho luto irharetun
Thuruh thia suarum forahtun,
da schrien sie laut wegen ihrer schweren Furcht, Ottfr. Thuruh reht, um des Rechtes willen, Tat.
Der boesen has und ouch ir nit
Ich gerne dulden wil
Dur die diu mir so nahe liet,
um der willen u.s.f.
Wernher von Tuifen.
Und so in andern Stellen mehr.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.