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H, der achte Buchstab des Deutschen Alphabetes, welcher ein dreyfaches Amt hat.
1. Ist er ein Buchstab im eigentlichsten und schärfsten Verstande, welcher einen etwas starken, aber doch nicht an den Gaumen angestoßenen Hauch ausdrucket, wo er gleichsam den Übergang der Selbstlauter zu den Mitlautern ausmacht, indem jene wahre, aber sehr gelinde Hauche sind. Um dieser Ursache willen ist auch das H von einigen Sprachlehrern ein Halb-Vocal genannt worden.
Es hat in dieser Gestalt einen doppelten Laut. Mit einem starken Hauche wird es zu Anfange eines Wortes ausgesprochen, wie in Habe, Haft, Hand, Herz, hoch, Hund u.s.f. mit einem schwächern aber in der Mitte zu Anfange einer Sylbe, besonders nach einem Vocale, wie in gehen, sehen, flehen, geschehen, nahe, Ehe, wehen, leihen, drohen, wiehern, Mühe, ruhen, Reihe u.s.f. wo es in manchen Gegenden so gelinde ausgesprochen wird, daß man es fast gar nicht höret. Ja die Niedersächsische Mundart, welche eine Feindinn des Hauches ist, und die mit ihr verwandten Sprachen, verbeißen es in der Mitte gar; Nieders. gaan, gehen, Schwed. gå, Engl. go, Holländ. gaen, Niedersächs. teen, ziehen, scheen, geschehen, seen, sehen, Engl. see, Schwed. si, Holländ. sien; dagegen die Niedersachsen in manchen Wörtern statt des h ein i oder j hören lassen, wie in Moie, Moje, Mühe, bloien, blühen, Holländ. bloeyen, gloien, glühen u.s.f. Die Alemannische und einige andere Mundarten sprechen es auch in der Mitte, wenigstens in vielen Wörtern, mit einem so harten Hauche aus, der dem ch nahe kommt, sich für siehe, geschicht für geschiehet, Floch für Floh; und daher rühret es vermuthlich, daß es auch im Hochdeutschen in solchen Wörtern, wo der gedehnte Vocal in den geschärften verwandelt wird, wirklich in das ch übergehet, wohin Gesicht, sichtbar, von sehen, Flucht von fliehen, Geschichte von geschehen, Zucht von ziehen, Verzicht von verzeihen, u.a.m. gehören.
Die ältere Fränkische Mundart pflegte es gern dem l, r und w zu Anfange der Wörter vorzusetzen, da es denn vor dem l oft in das noch stärkere ch oder k überging; Hludewig, Chlodewig, Clodewig, Hlotharius, Chlotarius, Hrabanus, Hruodolf, Hwil, ein Rad u.s.f. Die Engländer sprechen ihr roh, wenn es ein Wort anfängt, noch so, und die Schweden schreiben es sogar; Schwed. Hwal, Walfisch, Hwalf, Gewölbe, hwar, wer, hwar, Engl. where, wo, hwerfwa, werfen, Hwete, Weitzen, Hwila, Weile, hwilken, Engl. which, welcher u.s.f. Dagegen gibt es ganze Völker, welchen die Aussprache dieses Buchstabens auch zu Anfange der Wörter sehr schwer ankommt, wohin besonders die Russen und Italiäner gehören. Das Beyspiel der letztern läßt vermuthen, daß auch ihre Vorfahren, die Lateiner, das h zu Anfange der Wörter sehr gelinde und vielleicht gar nicht ausgesprochen; daher es auch in der Lateinischen Prosodie für keinen Buchstaben gerechnet wird. Im Deutschen kann man ihm wegen seines bestimmten und merklichen Lautes die Eigenschaft eines wahren Buchstabens nicht absprechen.
2. Das zweyte Amt des h ist, daß es zuweilen das Zeichen eines gedehnten Selbstlauters ist, und alsdann für sich nicht ausgesprochen wird. Dieses findet Statt am Ende einiger Wörter, welche sich auf einen Selbstlaut endigen, wie in Stroh, froh, Schuh, Kuh, roh, Vieh, rauh, früh, eh für ehe, wo aber in manchen noch ein anderer Grund in der Abstammung liegt, und da dienet das h zugleich den stärkern Hauch des Stammwortes zu erkennen zu geben.
Noch häufiger wird dieses h in der Mitte vieler Wörter vor den vier flüssigen Selbstlautern l, m, n, r, zur Dehnung des vorher gehenden Selbstlauters gesetzet. So stehet es vor dem l, in Ahle, subula, fahl, Gemahl, das Mahl, mahlen, kahl, Stahl, Strahl, Wahl, Zahl, Pfahl, Fehl, fehlen, Kehle, Mehl, stehlen, hehlen, befehlen, Bohle, Kohl, Kohle, Stuhl, Sohle, hohl, hohlen, prahlen, Dohle, wohl, buhlen u.s.f. Vor dem m, in lahm, zahm, Ohm, Ahm, Ruhm, nehmen, ahmen, Rahm u.s.f. Vor dem n, in ahnden, Ahnen, Bahn, Fahne, Hahn, Huhn, Kahn, Krahn, Lahn, lehnen, mahnen, Sahne, Wahn, dehnen, sehnen, Sehne, ihn, ihnen, Hohn, Lohn, Mohn, ohne, Sohn, wohnen, Dohne, Frohn u.a.m. Und endlich vor dem r, in Bahre, (nach andern Baare,) wahr, bewahren, fahren, Fahrt, Gefahr, Jahr, Ehre, kehren, lehren, mehr, sehr, hehr, ihr, bohren, Ohr, Ruhr, Uhr, Fohre, der Gehren, begehren, gähren, Guhr u.s.f.
Da das h in diesen Fällen, wenigstens der gemeinsten Meinung nach, ein bloßes Zeichen des vorher gehenden gedehnten Selbstlauters ist, so verstehet es sich von sich selbst, daß es unnöthig ist, wenn ein Doppellaut vorher gehet, dessen Dehnung schon kenntlich genug ist. Man schreibt daher verlieren, ob man gleich das h in befiehlst und stiehlst beybehält, weil es aus befehlen und stehlen gebildet ist. Da ä, ö und ü keine Doppellauter, folglich auch nicht an und für sich gedehnt sind, so kann nach ihnen das h, wo es einmahl eingeführet ist, auch nicht für überflüssig gehalten werden. Man schreibt also ganz richtig. Ähre, jähnen, Mähne, Mühle, schmählen, schmählich, Mähre, Möhre, Höhle, Öhl, Röhre, Bühne, fühlen, führen, wühlen, kühl u.s.f.
Indessen ist diese Regel nicht allgemein, weil man wenigstens eben so viel Wörter hat, wo der gedehnte Selbstlaut vor den flüssigen Mitlautern kein h aufweisen kann. Dergleichen sind, z.B. die Endungen -sal, -sam, -bar, die Wörter dar, klar, Krone, bequem, Blume, (wo über dieß noch die Abstammung von blühen es erfordern sollte,) gar, Gram, schal, schmal, Schnur, Flur, Spur, Hure, schonen, Schwan, Schwur, schwören, Span, Plan, Bär, hämisch, schon, sparen, stören, die Sylbe ur-, und hundert andere mehr. In andern wird der Selbstlaut verdoppelt, wie in Aal, Heer, Waare, Haar, leer, Theer, Meer, Beere u.s.f. und was die Endung betrifft, in See, Schnee, Klee u.a.m. Diese Ungleichheit ist wichtig, und beweiset nebst dem Mangel dieses h in so vielen andern gedehnten Sylben sehr deutlich daß es in den Fällen, wo es eingeführet worden, etwas mehr als ein bloßes Zeichen der Dehnung ist, wofür es von allen Sprachlehrern gehalten wird. Merkwürdig ist dabey, daß es nur vor den vier flüssigen Mitlautern l, m, n und r angenommen worden; denn in Fehde, welches vielleicht das einzige Wort von dem Gegentheile ist, hat es einen unläugbaren etymologischen Grund, und erhält die Verwandtschaft mit fechten. S. die Orthographie, wo dieses umständlicher ausgeführet worden.
Den Alten war dieses so genannte Dehnungs h völlig unbekannt, und man findet es bey ihnen so wenig, als es die Dänen, Schweden und andere Völker kennen. Auch die Niedersachsen wollen nichts davon wissen. Erst im 15ten Jahrhunderte kommt es, doch nur noch sehr einzeln, zum Vorscheine. In der ersten Hälfte des 16ten findet man es auch noch sehr selten; aber in der zweyten Hälfte, da man mehr auf die grammatische Richtigkeit seiner Muttersprache zu sehen anfing, ward es häufiger und nach und nach allgemein.
3. Dienet endlich auch das h den härtern Laut einiger Buchstaben und besonders des c, wenn es wie ein k lauten sollte, des p, und t zu mildern, oder vielmehr mit denselben gewisse Laute auszudrucken, für welche wir keine eigene einfache Zeichen haben, S. Ch, Ph und Th. Von dem h, welches in einigen wenigen Fällen dem r beygefüget wird, S. R.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.