Lust, die

Lust, die

Die Lust, plur. doch nur in einer einzigen Bedeutung, die Lüste.

1. Die Äußerung der anschauenden Erkenntniß des Angenehmen, und diese anschauende Erkenntniß selbst. 1) Die Äußerung der anschauenden Erkenntniß des Angenehmen, oder der angenehmen Empfindung durch äußere Handlungen, die Lustigkeit; in welcher ohne Zweifel ersten und ursprünglichen Bedeutung es nur noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens üblich ist. Es ist lauter Lust an ihm, oder in ihm, sagt man daselbst von einem Menschen, der seine angenehmen Empfindungen durch sehr merkliche äußere Handlungen an den Tag legt. Das war eine Lust! wenn mehrere ihre angenehmen Empfindungen auf solche Art bekannt machen. 2) Die anschauende Erkenntniß des Angenehmen selbst, zunächst nur des sinnlich Angenehmen, hernach aber auch eines jeden Angenehmen. Etwas mit Lust empfinden, sehen, hören, thun. Mit Lust arbeiten. Ich sehe es mit Lust, wie sein grauer Bart schneeweiß über meine Brust herunter wallet, Geßn. Seine Lust in etwas suchen. Seine Lust an etwas haben, das Angenehme, und in der Deutschen Bibel auch das Vollkommene, an demselben auf eine anschauende Art erkennen. Seine Lust am Tanzen, am Reiten, am Studiren u.s.f. haben. Ich sehe meine Lust daran, ich sehe es mit Lust, mit Vergnügen. Etwas zur Lust thun, bloß um das Angenehme davon zu empfinden. Sich eine Lust machen, etwas vornehmen, dessen Angenehmes man sich auf eine anschauende Art bewußt seyn könne. Die Jagdlust, Landlust, Gartenlust u.s.f. die Jagd, der Aufenthalt auf dem Lande, in einem Garten, als eine solche Lust betrachtet. Bey schönem Wetter ist es eine Lust zu reisen. In dieser ganzen Bedeutung ist es vorzüglich der Sprache des gemeinen und gesellschaftlichen Lebens eigen; in der anständigern Sprechart wird man lieber das Wort Vergnügen gebrauchen. Die Ursache ist leicht zu errathen. Lust druckt eigentlich den äußern Ausdruck des Vergnügens aus, welcher in den meisten Fällen einem gesetzten Manne unanständig ist. S. Lustig.

2. Die Neigung, das Verlangen nach einer angenehmen, oder doch als angenehm gedachten Sache. 1) Überhaupt, wo es dieses Verlangen nur allgemein ausdruckt, dessen höherer Grad Begierde genannt wird; ohne dessen Sittlichkeit zu entscheiden. Es wird zunächst von dem sinnlichen Verlangen nach einem Gegenstande, hernach aber auch von der Neigung zu einer jeden andern Sache gebraucht, und ist im gemeinen Leben am üblichsten, wofür man in der edlern Schreibart lieber das Wort Neigung gebraucht. Lust zu essen, zu trinken, zu schlafen, zu arbeiten haben. Ich habe heute keine Lust dazu. Die Lust ist mir vergangen. Einem die Lust zu bauen benehmen. Einem Lust zu etwas machen. Ich habe Lust zu diesem Hause, empfinde eine Neigung es zu kaufen. Der Knabe hat keine Lust zur Handlung. Nach aller Lust, nach Herzenslust schlafen, so lange als man nur Neigung dazu hat. Seine Lust büßen, sein Verlangen befriedigen. Im gemeinen Leben sagt man auch wohl in dem sonst ungewöhnlichen Diminutivs, ein Lüstchen zu etwas haben, sein Lüstchen büßen. 2) In engerer und nachtheiliger Bedeutung, in welcher dieses Wort am häufigsten nur allein im Plural gebraucht wird, sind die Lüste alle unordentliche Begierden. In den Lüsten leben. Den Lüsten dienen, fröhnen. Ein leichtsinniger, junger Mensch, der noch in den Lüsten herum taumelt, Weiße.


Sie (viele Christen) wagen auf der Bahn der Tugend einen Schritt,

Und sehn darauf nach ihren Lüsten,

Und nehmen ihre Lüste mit,

Gell.


Die Lüste des Fleisches, Bewegungen der Sinnlichkeit, in den Lüften wandeln, seine Lüste kreuzigen, sind nur in der biblischen Schreibart üblich. In der Deutschen Bibel wird es auch häufig in der einfachen Zahl gebraucht, die Neigung zum Bösen, die herrschende Sinnlichkeit, ja die ganze so genannte Erbsünde zu bezeichnen, in welchem Verstande es unter andern Röm. 7, 7 vorkommt.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Kero Lustida, bey dem Ottfried Lust, im Nieders. Angels. Engl. gleichfalls Lust, im Dän. Lyst. Es scheinet mit los und lose Eines Geschlechtes zu seyn, und eigentlich die durch die anschauende Erkenntniß des Angenehmen verursachten äußern Bewegungen zu bezeichnen; so wie das Lat. Voluptas, Wollust, der mittlern Sylbe nach auf ähnliche Art zu dem verwandten lüsten, Oberd. lupfen, luppen, gehören kann. In der Bedeutung des Verlangens gehöret das Lat. lubet, libet, belieben, und das Griech. λαειν, begehren, vielleicht auch unser verlangen, dahin. Im Griech. λωσος ist der beste.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Was ist des Lebens höchste Lust? Die Liebe und der Wein —   Das als Rätselfrage gestaltete Loblied auf Liebe und Wein stammt aus Wenzel Müllers Singspiel »Die Schwestern von Prag« mit dem Text von Joachim Perinet (1765 1816) nach dem Lustspiel »Die reisenden Komödianten« von Philipp Hafner. Die beiden… …   Universal-Lexikon

  • Lust — ist eine intensiv angenehme Weise des Erlebens, die sich auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung zeigen kann, zum Beispiel beim Speisen, Wandern oder bei schöpferischer Tätigkeit, vor allem aber als Bestandteil des sexuellen Erlebens.… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Lust am Text — (Le plaisir du texte) ist ein 1973 (dt. 1974) erschienener Essay von Roland Barthes. Er gilt als einer der paradigmatischen Texte des Poststrukturalismus und als Klassiker der neuen französischen Textkritik. Rückblickend hat Barthes selbst diesen …   Deutsch Wikipedia

  • Die sieben Weisen — (griech.: οἱ ἑπτά σοφοί, hoi hepta sophoi) sind eine von der Nachwelt so bezeichnete Gruppe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der griechischen Antike (spätes 7. und 6. Jahrhundert v. Chr.). Die überlieferten Listen nennen teilweise… …   Deutsch Wikipedia

  • Lust — 1. Auf Lust folgt (leicht) Unlust. Frz.: Plaisir engendre deuil. (Cahier, 1391.) Holl.: Uit lust volgt onrust. – Volg den lust en hij baart onlust. (Harrebomée, II, 42.) Lat.: Omnibus in rebus voluptatibus maximis fastidium finitimum est. (Cicero …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Lust — Freude; Gaudi (umgangssprachlich); Belustigung; Spass (österr.); Genuss; Entzücken; Fez (umgangssprachlich); Begeisterung; Vergnügen; …   Universal-Lexikon

  • Lust — 1. a) Bedürfnis, Begierde, Drang, Gier, Leidenschaft, Neigung, Passion, Sehnsucht, Wunsch; (österr.): Animo; (geh.): Begehr, Begehren, Begier, Gelüste, Hunger, Sehnen, Verlangen; (bes. südd., österr.): Gusto; (dichter.): Durst; (landsch., bes.… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Die zwölfte Stunde - Eine Nacht des Grauens — Filmdaten Originaltitel: Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens Produktionsland: Deutschland Erscheinungsjahr: 1922 Länge: 94 Minuten Originalsprache: Deutsch Altersfreigabe …   Deutsch Wikipedia

  • Die zwölfte Stunde – Eine Nacht des Grauens — Filmdaten Originaltitel: Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens Produktionsland: Deutschland Erscheinungsjahr: 1922 Länge: 94 Minuten Originalsprache: Deutsch Altersfreigabe …   Deutsch Wikipedia

  • Die Pluralbildung der Substantive — § 26. Die meisten deutschen Substantive erhalten im Plural ein grammatisches Merkmal der Mehrzahl  das Pluralsuffix, welches in allen Kasusformen des Substantivs auftritt. Dadurch unterscheidet sich ein Pluralsuffix von einer Kasusendung, denn… …   Deutsche Grammatik

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”