Mahl (6), das

Mahl (6), das

6. Das Mahl, des -es, plur. die Mähler, in der anständigern Schreibart nach dem Muster der Oberdeutschen die Mahle, die Figur, das Bild eines Dinges, in weiterer Bedeutung, ein Erinnerungszeichen einer Sache, und besonders der Zeit, in welcher ein Ding ist oder geschiehet, und in engerer Bedeutung, ein Flecken, Makel, Fehler.

1. Das Bild eines Dinges, eine Figur; eine größten Theils veraltete Bedeutung. Die Kinder auf dem Lande pflegen noch mit Stücken Geld, Würfeln, oder andern mit Figuren versehenen Körpern Mahl oder Unmahl zu spielen, wo denn Mahl die mit einer Figur versehene Seite, und wenn mit Münzen gespielet wird, die Bildseite des Münzherren, Unmahl aber die entgegen gesetzte oder leere Seite bedeutet. In dem Straßburgischen Stadtrechte bey dem Schilter bedeutet Mal das Gepräge auf einer Münze. Das Zeichen des Kreuzes, welches man mit den Fingern macht, heißt im Schwed. Mål, und sich damit bezeichnen, måla. Das wichtigste Überbleibsel dieser Bedeutung einer Figur, eines Bildes, ist unser Zeitwort mahlen, pingere, S. dasselbe.

2. Ein sichtbares Erinnerungszeichen einer Sache.

1) Eigentlich, wo es ein jedes Zeichen dieser Art bedeuten kann und bedeutet hat, es sey nun geschnitten, gehauen, gestochen, gezeichnet, oder von welcher Art es wolle. Indessen ist es doch in dieser ganzen Bedeutung nur noch in einigen übrig gebliebenen Fällen üblich.

(a) Überhaupt. Jacob nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Maal, 1 Mos. 28, 18, 22. Jetzt ist in diesem Verstande das zusammen gesetzte Denkmahl üblicher. Siehe das ist der Hause und das ist das Maal, das ich aufgerichtet habe zwischen mir und dir, Kap. 32, 51, 52, das Denkmahl. Und Jacob richtete ein Mahl auf über ihrem Grabe, Kap. 35, 20, ein Grabmahl. Ihr sollt kein Mahl um eines Todten willen an eurem Leibe reissen, 3 Mos. 19, 28. Bey der Trauer über einen Todten sollt ihr euch keine Schnitte geben, und kein buntes Mahl einbrennen, Michael. Wird aber an der Glatze oder da er kahl ist, ein weiß oder röthlich Maal, so ist ihm Aussatz an der Glatze, 3 Mos. 13, 42. f. Zeiget sich aber ein weißes oder röthliches Mahl, Michael. wo aber die folgende Bedeutung eines Fleckens am meisten hervor sticht. Blaue Mähler, Franz. Bleymies, blaue Flecken auf dem Pferdehufe, welche von geronnenem Blute entstehen; dagegen die dürren Mähler ähnliche Flecken sind, welche durch Austrocknung des Hufes verursacht werden. Ähnliche Bedeutungen sind noch in den zusammen gesetzten Brandmahl, das Zeichen auf der Haut von einem Brande, ingleichen ein eingebranntes Zeichen, Wundenmahl, im Oberdeutschen für Narbe, Muttermahl, ein mit auf die Welt gebrachter Flecken, oder ein solches Gewächs auf der Haut, Eisenmahl, Flecken von Eisenrost in der Wäsche, Merkmahl, in der weitesten Bedeutung u.s.f. üblich. Es sey denn, daß ich in seinen Händen sehe die Nägelmaal, Joh. 20, 21, die Zeichen, Spuren von den Nägeln, welches Wort in der Theologie noch jetzt üblich ist, alsdann aber den Oberdeutschen Plural die Nägelmahle behält. Andere Flecken am Leibe heißen bey Gellerten und in der vertraulichen Sprechart im Plural Mähler.

Im Forstwesen, dem Mühlenbaue u.s.f. ist das Mahl das in einen Baum gehauene, geschlagene oder gebrannte Zeichen, S. Mahlbaum und andere der folgenden Zusammensetzungen. In verschiedenen ländlichen Spielen ist das Mahl so wohl das Zeichen des Ruhe- oder Standortes, ingleichen des Zieles, als auch dieser Ort und das Ziel selbst, daher Opitz Mahl für Ziel überhaupt gebraucht:


In Summa allen ist sein Mahl und Ziel bestimmt.


Auch die Gränzzeichen, sie seyen nun von welcher Art sie wollen, und die Gränzen selbst, werden im gemeinen Leben häufig Mähler und im Oberd. Mahle genannt, S. viele der folgenden Zusammensetzungen. Auf den Flüssen einiger Länder werden die Zeichen, womit die gefährlichen Örter in einem Flusse angezeiget werden, Mahle oder Mähler genannt; ist es ein Bündel Stroh an einem eingeschlagenen Pfahle, so heißt es ein Strohmahl, ist es aber ein Pfahl ohne Stroh, ein Bloßmahl.

(b) In engerer Bedeutung, eine fehlerhafte Stelle von andrer Farbe, ein Flecken, Makel. Im Oberdeutschen werden, wenigstens in manchen Gegenden, alle Flecken dieser Art Mahle und Mähler genannt. Ein Obstmahl, Blutmahl, Weinmahl, ein Flecken von Obst, Blut, oder Wein. Ein Mahl aus der Wäsche machen, einen Flecken. Wo es ehedem auch Mail und Meil lautete, und einen jeden Schmutzflecken bedeutete. Das Latein. Macula und Deutsche Makel ist genau damit verwandt, indem sich der Gaumenlaut auch in den alten Oberdeutschen Zeitwörtern mailigen, bemailigen, vermeiligen, vermalgen, beflecken, besudeln und beschmutzen, befindet. Sich mit Schande bemeiligen, Matthes. Im Ital. lautet es in dieser Bedeutung Macchia, im Engl. Mole, im Holländ. Mael. Das Griech. μελας, schwarz, scheinet damit verwandt zu seyn. S. Mehlthau, Molch, Maser. Figürlich bedeutete es ehedem auch einen Fehler. Ane Mal und ane Scharten, sagt Stryker von einem Schwerte. Ganz gesundt an alle Meyl, Theuerd. Kap. 34. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, denn ob man gleich Flecken im Gesichte noch zuweilen Mähler nennt, so geschiehet solches doch nur in der vorigen allgemeinern Bedeutung ohne den Nebenbegriff des Fehlerhaften oder Schändlichen.

2) Figürlich, die Zeit, wie oft eine Sache ist oder geschiehet, daher es nur allein mit Zahlwörtern oder doch ihren ähnlichen Bey- und Fürwörtern gebraucht wird. Es scheinet hier zunächst das geschnittene oder gemachte Zeichen dieser Art bedeutet zu haben, bis es nach einer gewöhnlichen Figur von der Wiederhohlung selbst gebraucht worden. Es wird alsdann mit seinen Bestimmungswörtern bald zusammen gesetzt, bald aber auch nicht, je nachdem die in der Sprachlehre angegebenen Regeln der Zusammensetzung es erfordern oder verbiethen. Verhalten sich die Bestimmungswörter des Wortes Mahl, so wie sich jedes andere Adjectiv zu seinem Substantiv verhält, so ist die Zusammenziehungen unerlaubt. Dieses Mahl oder dieß Mahl, kein Mahl, jedes Mahl, das erste Mahl, das letzte Mahl; so wie man schreibt, dieses Haus, dieß Jahr, jeder Mensch u.s.f. So auch mit Hauptzahlen: Ein Mahl, zwey Mahl, drey Mahl, hundert Mahl; nur daß Mahl mit bestimmten Zahlwörtern, wie Pfund, Loth, und so viele andere welche eine Zahl, Maß und Gewicht bedeuten, im Plural sein e verlieret: sechs Mahl, nicht sechs Mahle. Im Dative hingegen wird es ordentlich declinirt: Er gab es mir zu vier Mahlen. Ist hingegen die Bedeutung elliptisch oder figürlich: es ist nun einmahl nicht anders, es wird schon einmahl geschehen, oder ist ein gemeinschaftlicher Ableitungslaut vorhanden, wie in den Adverbien jemahls, vormahls, nachmahls, nochmahls, niemahls, mehrmahls, damahls, und in den Adjectiven zweymahlig, dreymahlig, mehrmahlig, so ist die Zusammenziehung nicht allein erlaubt, sondern auch nothwendig. Von allemahl ist bereits an seinem Orte gehandelt worden.

Ein Fehler ist es, wenn manche statt des s ein en anhängen, damahlen, niemahlen, jemahlen u.s.f. für damahls, niemahls und jemahls. Eben so fehlerhaft sind allzu harte Zusammenziehungen und Ausdrücke dieser Art, wie genugmahl oder genugmahls, für oft genug, manchmahl für manches Mahl.

Die meisten zusammen gezogenen Nebenwörter dieser Art lassen sich vermittelst der Sylbe ig in Beywörter verwandeln, da denn die auf mahls das s wieder hinweg werfen. Sein zweymahliger, dreymahliger, oftmahliger Besuch. Dein mehrmahliger Antrag. Ihr vormahliges Betragen. Mein nachmahliger Zustand. Allemahl, keinmahl, niemahls, jemahls, dießmahl und manchmahl leiden solches nicht.

Obgleich Mel schon bey dem Ulphilas die Zeit überhaupt, und Mål und Mal im Schwed. und Isländ. eine bestimmte Zeit bedeuten, so ist es doch als ein Zahlwort der Zeit, wie oft eine Sache ist oder geschiehet, im Deutschen neuern Ursprunges. Die Alten hatten dafür andere Wörter. Ottfried gebraucht dafür Stunt, Vuarba und Sinthe, welches letztere eigentlich den Weg bedeutet; trizzug stunton, dreyßig Mahl, thria stunta zuene, drey Mahl zwey, thia uuarba und thes sinthes, dieß Mahl. In eben diesem Verstande kommt Sintha bey dem Ulphilas und Sinthe im Angels. vor, so wie die Niedersachsen und Holländer auf ähnliche Art das Wort Reise gebrauchen, twe Reise, zwey Mahl. Warf ist im Nieders. so wie im Schwed. Hwarf, auch noch üblich; noch warf, nochmahls, dat ander warf, das andere Mahl, wohin auch das veraltete Neiders. werle, jewerle, jemahls, unwerle, newerle, niemahls, u.s.f. zu gehören scheinet. Auch Fahrt wurde ehedem im Hochdeutschen so gebraucht; zu dieser Fahrt, dieß Mahl, einfahrt, allefahrt, ein Mahl, alle Mahl, zu keiner Fahrt, Theuerd. niemahls. Es kann daher seyn, daß in dieser Bedeutung des Wortes Mahl auf ähnliche Art der Begriff der Bewegung der herrschende ist; es kann aber auch seyn, daß es zunächst das Zeichen ausdruckt, womit man die mehrmahlige Wiederhohlung zu bezeichnen pflegt. Merkwürdig ist indessen, daß im Schwed. Mål auch einen Fall bedeutet; Twiswelsmål, ein zweifelhafter Fall, Samwetsmål, ein Gewissensfall, Brottmål, ein strafbarer Fall. M und f sind Buchstaben eines und eben desselben Organi, welche sehr oft mit einander verwechselt werden. S. die folgende Anmerkung.

Anm. Auch im Schwed. ist Mål, und im Angels. Mael, ein jedes Zeichen, und in engerer Bedeutung ein Ziel. Mahl scheinet überhaupt zunächst ein geschnittenes, oder auf andere Art gemachtes vertieftes oder erhabenes Zeichen zu bezeichnen, da es denn nicht nur zu 5. Mahl mit dem Begriffe der Vertiefung und Erhöhung gehören, sondern auch mit demselben von mähen, schneiden, stoßen u.s.f. abstammen würde. Vermittelst der Ableitungssylbe el, ein Ding, bedeutet Mahel und zusammen gezogen Mahl, ein geschnittenes oder auf ähnliche Art gemachtes Ding. Da mähen in manchen Mundarten auch meiden, mähden lautet, Lat. metere, so erhellet daraus zugleich die Verwandtschaft mit dem Lat. Meta, ein Ziel.

Wenn man alle dem Anscheine nach verschiedenen Wörter, welche Mahl lauten, genau untersucht, so wird man finden, daß sich die meisten auf einen gemeinschaftlichen Stammbegriff zurück führen lassen, welcher der Begriff der Bewegung ist, daher man machen und mähen, so fern sie überhaupt ehedem bewegen bedeutet haben, als die Quelle derselben ansehen kann. S. das Zeitwort 2. Mahlen, molere, wo dieser Begriff der Bewegung noch mehr hervorsticht.

Gottsched, welcher die gleichlautenden Wörter so gern durch die Schreibart zu unterscheiden suchte, und daher die Regel gab, daß man die gleichlautenden Wörter von verschiedener Abstammung auch im Schreiben unterscheiden müsse, schrieb Mahl, convivium, -mal, bey den Zahlwörtern, und Maal, signum, so wie er malen, pingere, und mahlen, molere, geschrieben haben wollte. Allein, er sündigte dabey wider seine eigene Regel, indem Maal, signum, und malen, pingere, unstreitig von Einem Stamme sind, zu welchem auch sehr wahrscheinlich sein -mal an den Zeitwörtern gehöret; welche also seiner eigenen Regel nach auch auf einerley Art geschrieben werden müßten. Über dieß erschöpfen seine drey Schreibarten, wenn sie auch richtig wären, die Zahl dieser Wörter nicht, daher sie unzulänglich sind. Man thut also besser, man folget der allgemeinen und weit sicherern Regel, nach welcher das l nach einem gedehnten Selbstlaute ein h vor sich hat, zumahl da in den meisten dieser Wörter das h wirklich zum Stamme gehöret, indem die meisten dieser Art von mähen, sich bewegen, abstammen. S. 2. Mahlen, Anmerk. Übrigens spricht man ja alle diese Wörter auf einerley Art aus, ohne eine Mißdeutung zu besorgen, warum sollte man sie nicht auch auf einerley Art schreiben können? Gottsched kannte nur die wenigsten gleichlautenden Wörter; hätte er sie alle gekannt, so würde ihn schon dieß von der Unmöglichkeit seiner Regel haben überführen können. (S. zum Beyspiel Katze.) Noch verwerflicher aber ward sie bey ihm, da sie in der Anwendung sich immer auf offenbar falsche Ableitungen gründete.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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