- Nachahmen
Nachahmen, verb. reg. act. welches im weitesten Verstande, eine Person oder Sache zum Muster seiner ähnlichen Handlungen nehmen, bedeutet, wo es denn das nachäffen, nachmachen und nachthun mit unter sich begreift, aber der Würde nach edler ist, als alle diese drey Zeitwörter. In engerer Bedeutung schließt es so wohl die Besonnenheit mit ein, als auch, wenn von sittlichen Handlungen die Rede ist, die Übereinstimmung des Gemüthes, und da ist nachahmen in ähnlichen Umständen ähnlich handeln. Der Bildhauer ahmet die Natur nach, wenn er Züge aus derselben entlehnet, und sie auf einen andern Körper überträget, welches besonders nachbilden genannt wird. Die ganze Kunst der Mahlerey besteht in der Nachahmung der Natur. Der Mensch kann nicht erfinden, sondern nur finden, nur nachahmen, Herd. Jemandes Beyspiel nachahmen. Lehren sie mich, ihre Tugend nachahmen. Eines Stimme, Gang, Schreibart, Geberden nachahmen. Jemanden in einer Sache nachahmen. So auch die Nachahmung, so wohl von der Handlung des Nachahmens, als auch von dem dadurch hervor gebrachten Dinge.
Anm. 1. Die Sache, welche nachgeahmet wird, stehet alle Mahl in der vierten Endung, welche Endung auch die Person bekommt, wenn sie als Sache betrachtet wird, sie mag nun allein stehen, oder die Sache mag vermittelst der zweyten Endung, oder auch durch Hülfe eines Vorwortes ausgedruckt werden. Ahme deinen Vater nach; ahme deines Vaters Tugend nach; ahme deinen Vater in der Tugend nach. Nur wenn die Sache in der vierten Endung ausgedruckt werden könnte, welches doch selten geschiehet, kann die dritte Endung Statt finden; ahme deinem Vater die Tugend nach. Die Sache in der dritten Endung zu setzen, wie von einigen geschiehet; einer Gewohnheit nachahmen, Gottsched, ist unstreitig ein eben so großer Fehler, als wenn die Person außer dem schon gedachten Falle in die dritte Endung gesetzt wird.
Sieht mich die Mitternacht bey meinem Sehrohr wach,
So ahm ich höchst vergnügt berühmten Männern nach,
Haged.
Sehr übel klingend ist es, wenn einige Dichter das nach in diesem Zeitworte, um des Sylbenmaßes und Reimes willen, als ein unabänderliches Vorwort gebrauchen.
Nachahmst du etwa unsern Bundsgenossen?
Schleg.
Anm. 2. Dieses Zeitwort kommt so wie das einfache ahmen bey unsern ältesten Schriftstellern nicht vor. Kero gebraucht dafür keleisinen, gleichsenen, in Boxhorns Glossen anakilinan, Ottfried, Willeram und Notker aber biliden, piliden, bilden, und spätere Oberdeutsche Schriftsteller andteren, andern, welches Frisch von ander, alius, herleitet, aber auch das Intensivum von ahmen seyn kann, so wie es das verwandte Latein. imitari von dem veralteten imari ist. Aus diesem Lateinischen Worte erhellet zugleich das hohe Alter unsers ahmen, zu dessen Geschlechte auch das alte Schwed. äm und jetzige jämn, gleich, ähnlich, eben, gehöret. S. Eben Anm.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.