Nacket

Nacket

Nacket, noch häufiger zusammen gezogen, nackt, oft auch nackend, nackig, nackicht; nackter, nackteste, ohne andere Bekleidung oder Bedeckung, als welche die Haut gewähret.

1. Eigentlich, wo es von thierischen Körpern gebraucht wird, wenn sie ohne andere Bekleidung als der bloßen Haut sind. Ein nackter Hund, welcher keine Haare auf der Haut hat; ein kahler Hund. Ein nackter Vogel, welcher noch keine Federn hat. Das Murmelthier hat einen kurzen fast nackten Schwanz. Und in diesem Verstande kann man auch die nackte Haut des Menschen der haarigen Haut der Thiere entgegen setzen. In Ansehung des menschlichen Körpers wird es am häufigsten von dem ganzen Körper gebraucht, für unbekleidet, ohne alle andere Bekleidung, als die bloße Haut. Nackt oder nacket gehen. Sich nackt ausziehen. Nackt auf die Welt kommen. Eine nackte Venus. Adam und Eva waren beyde nacket, 1 Mos. 2, 25. Sie wurden gewahr, daß sie nacket waren, Kap. 3, 7.


Sie kleidet Nackende vom Raub der fetten Trift,

Hall.


Das Nackende oder Nackte erfordert von Seiten des Mahlers viele Geschicklichkeit. Eine nackte Figur, welche nicht bekleidet ist, zuweilen auch in engerm Verstande, an welcher diejenigen Theile nicht bedeckt sind, welche Gewohnheit und Ehrbarkeit bey allen gesitteten Völkern zu bedecken pflegen. Von einzelnen Theilen des menschlichen Körpers ist freylich bloß üblicher, ob es gleich auch nicht an Fällen fehlet, wo das Wort nackt gewöhnlich ist. So gebrauchen es z.B. die Mahler von unbekleideten Theilen des menschlichen Leibes. Ein nackter Arm, ein nackter Fuß. Nackte Theile des Leibes. Wenn man unbekleideter Theile des Leibes, welche bekleidet seyn sollten, im verächtlichen Verstande erwähnet, pflegt man gleichfalls das Wort nackt zu gebrauchen. Auch von unbehaarten oder unbefiederten Theilen des thierischen Körpers ist dieses Wort üblich, dagegen man von unbehaarten Theilen des menschlichen lieber kahl und in der anständigern Sprechart zuweilen glatt gebraucht. Ein kahles Kinn, ein glattes Kinn, ein unbärtiges. Ein kahler Kopf.

2. In weiterer Bedeutung auch von andern unbedeckten Körpern; doch nur in einigen Fällen. So ist ein nackter Same in der Botanik ein Same, dessen äußere Haut mit keiner Hülse bekleidet ist. Die nackte Gerste, eine Art kleiner Gerste ohne Hülfen; Reißgerste. Nackte Felder, welche mit keinen Gewächsen bekleidet sind, kahle Felder. Nackte Hügel, auf welchen nichts wächset, kahle. In noch weiterer aber jetzt ungewöhnlicher Bedeutung nennt der Verfasser des alten Fragmentes auf Carln den Großen ein bloßes Schwert ein nachetes Swert.

3. Figürlich. 1) Schlecht bekleidet, die Kleider größten Theils beraubt. Du hast den Nackenden die Kleider ausgezogen, Hiob 22, 6. Am häufigsten im verächtlichen Verstande. Nackt und bloß einher gehen, in schlechten, zerrissenen Kleidern. 2) Ein nacktes Gemählde, bey den Mahlern, in welchem es an den nöthigen Gegenständen mangelt. 3) Aller andern Eigenschaften beraubt. Die bloße nackte Fähigkeit, die auch ohne vorliegendes Hinderniß keine Kraft, nichts als Fähigkeit sey, ist ein tauber Schall, Herd.

Anm. Bey dem Ulphilas naquaths, bey dem Kero nahhut, bey dem Ottfried nakot, im Tatian naccot, nachet, im Nieders. naakt, im Dän. nogen, im Schwed. nakot, im Isländ. naken, im Angels. naced, im Engl. naked, im Pohln. nagi, im Böhm. nahy, bey den Krainerischen Wenden ohne allen Ableitungslaut nag, im Bretagnischen noas, im Wallis. noeth; woraus zugleich die Verwandtschaft mit dem Latein. nudus, und dem von Perizonio irgend wo gefundenen Griech. νƞδος, erhellet. Aus den obigen Formen siehet man schon, wie unwahrscheinlich Wachters Etymologie ist, welcher es von dem Angelsächs. nacenued, nacende, d.i. neu geboren, ableitete. Eben so unwahrscheinlich ließ Dietrich von Stade es von nagen abstammen. Das Wort ist alt, sehr einfach, denn es kommt hier nur auf die Sylbe nag, nad, na an, und daher eben nicht leicht auf seine erste eigentliche Bedeutung zurück zu führen. Im Finnländ. ist Nahca die Haut; fänden sich im Deutschen und den verwandten Sprachen Spuren von dieser Bedeutung, so würde sich unser nacket sehr wohl davon ableiten lassen. Es wäre alsdann vermittelst der Ableitungssylben -icht, -ig, im Oberdeutschen -et, von Nacke, die Haut, gebildet, und bedeutete eigentlich, die bloße Haut habend oder zeigend. In den neuesten Zeiten hat man das Franz. Sansculotte Deutsch zu geben gesucht, und das alberne unanalogische Ohnehose gestämpelt. Die gemeinen Mundarten haben schon lange, ehe noch die Sans-culottes in Frankreich bekannt wurden, sie zu benennen gewußt. Sie nennen einen solchen Menschen Nackarsch, Engl. Baldarse. Fehlt es dem Worte gleich an Würde, so fehlt es doch auch dem Gegenstande selbst daran.

Im Deutschen, selbst in der Hochdeutschen Mundart, wird die Endsylbe sehr verschieden geschrieben und gesprochen, indem sie bald nackend, bald nackendig, bald nacket und nackt, bald nackicht, und bald nackig lautet. Die letzten Formen scheinen die wahren zu seyn, und da die Ableitungssylbe -ig im Oberdeutschen sehr häufig -et lautet, flecket für fleckig, (S. -Ig,) so hat aus nackig und nackicht gar leicht nacket und zusammen gezogen nackt werden können. Nackend ist kein Mittelwort, sondern bloß das vorige nacket, welches nur das euphonische n vor sich genommen hat, S. N. Diejenigen, welche in der adverbischen Gestalt nacket sagen, müssen das e bey Verlängerung des Wortes heraus werfen, ein nackter Mensch für nacketer. Völlig nacket heißt in den gemeinen Mundarten mutternacket, faden- oder fasennacket, und splinter- oder splitternacket, S. diese Wörter.

Ich hatte in der ersten Auflage bey dem Worte Bloß gesagt, daß dieses der anständigern Sprechart gemäßer sey, nackt sich aber mehr für die niedrige und gesellschaftliche schicke. Stosch widersprach diesem Satze in seinen kritischen Anmerkungen, und suchte mit vielen Beyspielen sonst angesehener Schriftsteller zu beweisen, daß man sich des Wortes nacket ganz wohl in der erhabenen Schreibart bedienen könne. Darin hat er Recht, daß man bloß nicht alle Mahl da gebrauchen kann, wo man nackt saget, und daß es sich von einem ganzen unbekleideten Körper in den wenigsten Fällen gebrauchen läßt. Ich gebe auch zu, daß es gute Schriftsteller genug gibt, welche dieses Wort im eigentlichsten Verstande in der feyerlichsten und anständigsten Schreibart gebraucht haben. Allein ich glaube doch noch immer, daß ein feines Gefühl etwas Widriges bey dem nacket empfinden muß, zumahl da die Sache selbst, die es ausdruckt, unsere heutigen Sitten so sehr beleidiget. Ein kluger Schriftsteller wird daher, wenn er die feinen Empfindungen des Lesers zu schonen, und widrige niedrige Bilder zu vermeiden hat, wie in der erhabenen Schreibart der Fall ist, dieses Wort lieber vermeiden. Die Grazien unbekleidet mahlen, eine unbekleidete Venus, sagt doch im Grunde eben das, nur mit mehr Würde und nicht mit dem widrigen Nebenbegriffe, was die Grazien nacket mahlen und eine nackte Venus sagt.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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