- Stellen
Stêllen, verb. regul. act. welches das Factitivum von stehen ist. Es bedeutet, 1. Im eigentlichsten Verstande, stehen machen, einen in der Bewegung begriffenen Körper zum Stehen bringen. Im Schwedischen sagt man, ein Pferd stellen, (stålla,) es zum Stehen bringen, und das Griech. σελλειν bedeutet gleichfalls sistere. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung nur noch in einigen Fällen und Gegenden üblich. Bey den Jägern stellet der Hund ein Wild, wenn er es zum Stehen bringet, und das Wild stellet sich, wenn es vor dem Hunde stehen bleibt. In einigen Gegenden stellet man die Milch, wenn man sie zum Gerinnen bringet. Im Oberdeutschen sagt man auch das Blut stellen, wofür wir stillen gebrauchen. Eben daselbst stellet man auch das Wasser, wenn man es stauet oder stauchet, d.i. dessen Abfluß hindert. Er zertheilete das Meer und stellete das Wasser wie eine Mauer, Ps. 78, 13. Im gemeinen Leben sagt man noch, einen Dieb stellen, durch abergläubige Künste machen, daß er auf der Flucht stehen muß. Vermuthlich gehöret dahin auch die in einigen Gegenden übliche R.A. das Bier stellen, der Würze die Häfen geben, und sie zur Gährung in Ruhe bringen, welches in dem Stellbottiche geschiehet, der einen beweglichen Boden (der Stellboden) hat.
2. In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung.
(1) Ein Ding in diejenige Lage bringen, in welcher es stehet. (a) Eigentlich; wo es in manchen Fällen mit setzen gleich bedeutend ist, in manchen aber nicht mit demselben verwechselt werden darf, besonders wenn von Körpern die Rede ist, an welchen man die Zustände des Stehens, Sitzens und Liegens genau zu unterscheiden pflegt. Sich in das Fenster, in die Thür, an den Ofen, vor den Tisch, an den Weg, in den Weg stellen. Sich auf den Kopf stellen. Einen Verbrecher an den Pranger stellen. Den Stock in den Winkel, den Stuhl an die Wand, ein Ding an seinen Ort stellen. Etwas gerade stellen. Die Soldaten in Ordnung, eine Armee in Schlachtordnung stellen. Die Bücher in das Bücherbret stellen. Jemanden oben an, in die Mitte stellen. (b) Figürlich, in verschiedenen einzelnen Arten des Ausdruckes. Sich zur Wehre stellen, wofür man auch setzen sagt. Jemanden zur Rede stellen oder setzen. Jemanden etwas vor Augen stellen, S. auch Vorstellen. Einen Gefangenen auf freyen Fuß stellen oder setzen. Eine Sache dahin stellen, sie dahin gestellet seyn lassen, sie unentschieden lassen, sein Urtheil darüber zurück halten. Jemanden auf die Probe stellen oder setzen. Seine Hoffnung, sein Vertrauen auf etwas stellen, besser setzen. Etwas in Vergessenheit stellen, es vergessen, in Zweifel stellen, es bezweifeln, in Zweifel ziehen. Jemanden zufrieden stellen, machen, daß er sich zufrieden gebe. Stellen sie sich zufrieden, geben sie sich zufrieden. Und vielleicht noch andere mehr.
(2) Oft deutet dieses Zeitwort anstatt des Begriffes des Stehens die gehörige und zu der Absicht dienliche Lage der Theile eines Dinges an. (a) Eigentlich. Die Jäger stellen den Zeug, die Garne, Tücher und Lappen, wenn sie selbige um eine Gegend ziehen und in der gehörigen Lage aufrichten. Eine Falle stellen, ihre Theile in diejenige Lage bringen, in welcher sich ein Thier darein fangen kann. So auch Schlingen stellen. Ein Netz stellen, Ps. 9, 16. Daher die figürliche R.A. jemanden nach dem Leben stellen, ihm nach dem Leben stehen oder trachten. Einem ein Bein stellen, es ihm unterschlagen. S. auch Aufstellen und Nachstellen. Das Geschütz stellen, wofür doch richten üblicher ist. Eine Uhr stellen. Siehe auch Bestellen und Anstellen. (b) Figürlich ά) Ehedem sagte man auch häufig, ein Buch, eine Schrift, einen Brief, ein Testament, eine Rede u.s.f. stellen, sie entwerfen, verfertigen; vermuthlich zunächst, die Theile, woraus sie bestehen soll, die Sätze und Worte, gehörig ordnen. Jemanden die Nativität stellen. Einen Kalender stellen. Stelle ihnen Rechte und Gesetze, 2 Mos. 18, 20. Ach, daß meine Reden in ein Buch gestellet würden! Hiob 9, 23. Derselbige Prediger stellete viel Sprüche, Pred. 12, 9. Sintemahlen sichs viele unterwunden haben, zu stellen die Rede von den Geschichten, Luc. 1, 1; zu entwerfen, aufzusetzen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet; welche doch noch in Briefsteller und Schriftsteller übrig ist. β) Sich stellen, den Theilen seines Körpers eine gewisse zu Erreichung einer Absicht dienliche Lage geben. Sich ungeberdig stellen. Er stellet sich, als wenn er zugreifen wollte. Besonders durch sein Äußeres einen Zustand annehmen, welchen man nicht wirklich hat. Sich krank stellen. Sich fremd, lustig, traurig stellen. Sich unwissend, unschuldig stellen. Er stellete sich, als wenn es ihm leid wäre, als wenn er nichts davon wüßte, als wenn er mich nicht gesehen hätte. Er stellet sich nur so, es ist nicht sein wahrer Ernst. S. Gestalt, Anstellen, Verstellen und Stellung.
(3) Zuweilen bedeutet es nur, ohne Rücksicht auf die vorigen Nebenbegriffe, persönlich gegenwärtig machen. Jemanden stellen, ihn gleichsam zur Stelle bringen. Einen flüchtigen Missethäter aufhalten und stellen. Jedes Dorf muß fünf Mann Recruten stellen. Einen Bürgen stellen. Zeugen stellen. Einen andern Mann an seinen Platz stellen. Sich stellen, sich auf Befehl persönlich einfinden. S. auch Einstellen.
Daher das Stellen und die Stellung, S. das letztere an seinem Orte besonders.
Anm. Bey dem Notker stellen, im Nieders. gleichfalls stellen, im Schwed. ställa. Das Griech. σελλειν hat viele Bedeutungen mit unserm stellen gemein, z.B. υποσελλειν, verstellen. Stellen gründet sich entweder auf eine eigene Onomatopöie des Setzens mit Nachdruck, oder es ist auch vermittelst der Ableitungssylbe -len von stehen gebildet; stehelen, stehen machen, wovon, unser stellen wieder das Inetnsivum ist, aus welcher Form auch der Begriff der Ordnung und gehörigen Lage der Theile, welcher diesem Zeitworte in seinen meisten Bedeutungen anklebt, erkläret werden kann. In vielen Oberdeutschen Mundarten ging dieses Zeitwort ehedem irregulär; Imperf. ich stallte, Mittelw. gestallt. Daher rühren noch die Zusammensetzungen Anstalt, Gestalt, Gestaltet.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.