Sterben

Sterben

Stêrben, ein Zeitwort, welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. I. * Als ein Activum, mit regulärer Conjugation: ich sterbe, du sterbst, er sterbt; Imperf. ich sterbte; Mittelw. gesterbt; sterben machen, d.i. tödten, umbringen, und figürlich vernichten. In dieser ganzen thätigen Form ist es im Hochdeutschen unbekannt, im Oberdeutschen aber, wenigstens in einigen Provinzen, sehr gangbar.


Kann Frösche, Fliegen, Schwalben, Würmer, Schnecken,

Die Kaltes sterbte, Warmes wieder wecken,

Logau.


Sein Weg hat alles Fleisch in der ersten Welt verderbt,

Drum hat durch den Sündenfluß Gott gar recht das Fleisch gesterbt,

Logau.


Getheiltes Bett ist Haß, der nimmer wird gesterbt,

Opitz.


So bleibt doch ein guter Ruhm,

Den der Tod uns nicht kann sterben,

Opitz.


Bey dem Notker irstarben, im Engl. to starve. Auf ähnliche Art war auch unser heutiges tödten ehedem als ein Neutrum für sterben üblich, bey dem Ulphilas gedauthnan, bey dem Ottfried douen, im Angels. dydan, im Schwed. dö, im Engl. to die, welche alle sterben bedeuten.

II. Als ein Neutrum mit irregulärer Conjugation; ich sterbe, du stirbst, er stirbt; Imperf. ich starb, vulg. sturb; Conj. stürbe; Mittelw. gestorben; Imperat. stirb. Es erfordert das Hülfswort seyn, und bedeutet, aufhören zu seyn.

1. Eigentlich, von organischen Körpern, aufhören zu leben, wo es als ein allgemeiner Ausdruck von allen Arten des Todes gebraucht wird; besonders von Menschen. Alle Menschen müssen sterben. Unser Freund ist schon gestorben; eben jetzt stirbt er. Auf dem Bette, auf dem Schlachtfelde sterben. Er ist sehr jung, in der Jugend, sehr alt, im hohen Alter gestorben. Die Krankheit, welche den Tod verursacht, bekommt das Vorwort an. An einer Krankheit, an dem Fieber, an der Pest, an den Blattern, an seinen Wunden sterben. Andere Ursachen des Todes erfordern das Vorwort vor. Vor Alter, vor Gram, vor Sorgen, vor Hunger, vor Durst sterben. Nur das Hauptwort Hunger kann mit Auslassung des Vorwortes auch im Genitivo stehen. Hungers sterben, d.i. vor Hunger; schon im Schwabenspiegel Hungarz sterben. Welche Endung auch das Wort Tod bekommt, wenn es die Todesart, die Art und Weise, wie man stirbt, bedeutet. Eines natürlichen, gewaltsamen, schmäligen, schrecklichen Todes sterben. Sie sind einerley Todes gestorben. Meine Seele sterbe des Todes dieses Gerechten. Wofür man in der höhern Schreibart auch wohl die vierte Endung gebraucht.


Bis er mit wenig Edlen den Lohn der Helden fand,

Den besten Tod zu sterben, den Tod fürs Vaterland,

Dusch;


Aber des Todes sterben, für sterben überhaupt, oder gewiß, schlechterdings sterben, wie mehrmahls in der Deutschen Bibel gefunden wird, ist ein Hebraismus, der wider die Analogie der Deutschen Sprache ist. Über etwas sterben, in der Beschäftigung damit. Auf etwas sterben, die Wahrheit einer Sache bis an seinen Tod behaupten und durch seinen Tod bestätigen.

2. Figürlich, aufhören zu seyn, besonders in der höhern Schreibart. Sein Ruhm wird nicht sterben. Welchem Baume entsinkt dann das sterbende Laub auf mein ruhiges Grab? Geßn. Wie schmückt sich das sterbende Jahr? eben ders. Mit ihm starben meine Freuden.


Die Jugend flieht und ihre Freuden sterben,

Gieseke.


So auch das Sterben, welches doch nur überhaupt von dem Aufhören zu leben gebraucht wird. An das Sterben denken. Wenn es zum Sterben kommt. Von dem Tode einzelner Personen ist Absterben üblich. Nach meinem Absterben, nicht Sterben. Im gemeinen Leben wird das Sterben auch häufig von einer ansteckenden Krankheit gebraucht, an welcher viele sterben. Es kam ein Sterben unter das Volk, unter das Vieh. Das Viehsterben. Im Oberdeutschen die Sterbe, der Sterbend, Sterbat.

Anm. Im Tatian sterban, im Nieders. starven. Es scheinet, so fern das Neutrum der Form nach am ältesten ist, zu darben, dorren zu gehören, und ein allmähliges Abnehmen und Verschwinden zu bezeichnen. Ist das Activum aber älter, so kann es mit derben in verderben verwandt seyn, welches im Schwed. nur derfva lautet. Im Arab. ist taraba, er hat abgeschnitten, von welchem Worte von einigen der Nahme der Parce Atropos hergeleitet wird. Im Oberdeutschen sagt man für ich sterbe, ich stirb. Die Jäger gebrauchen von Thieren das Zeitwort verenden anstatt sterben.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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