Stoßen

Stoßen

Stōßen, verb. irregul. ich stoße, du stößest, er stößet oder stößt; Conj. ich stoße; Imperf. ich stieß; Mittelw. gestoßen; Imperat. stoße oder stoß. Es ist in doppelter Gestalt üblich.

I. Als ein Activum, aus einer geringen Entfernung schnell und heftig nach einem Körper zu bewegen, um denselben aus seinem Orte zu bringen.

1. Eigentlich. Jemanden mit dem Fuße, mit dem Ellbogen in die Seite stoßen. Der Ochse stößet mit den Hörnern. Zu Boden stoßen. Über den Haufen stoßen. Sich an etwas stoßen. Mit dem Fuße an einen Stein stoßen. Sich eine Beule, ein Loch stoßen. Jemanden von etwas weg stoßen, ihn in den Koth, aus dem Hause stoßen. Einem das Messer in den Leib, den Degen in die Brust stoßen. Da es denn auch von verschiedenen Handlungen gebraucht wird, welche mit einem Stoße verbunden sind. Mit dem Degen nach jemanden stoßen. Jemanden über den Haufen stoßen, mit einem spitzigen Werkzeuge so stechen, daß er zu Boden fällt. Einen Pfahl in die Erde stoßen, mit einem Stoße in die Erde stecken. Die Tischer stoßen einen Leisten, wenn sie ihn mit dem Hobel verfertigen. S. Abstoßen, Bestoßen u.s.f. Besonders mit Stößen zermalmen. Gewürz in einem Mörser stoßen. Etwas zu Pulver stoßen, klein stoßen. Pfeffer stoßen, Daher die figürlichen Redensarten. Jemandes Anerbietungen von sich stoßen, sie aus Verachtung nicht annehmen wollen. Sie stoßen alle Philosophie über den Haufen, Gell. vernichten sie, heben sie, ihre Erweislichkeit und ihren Nutzen auf. Einen König von dem Throne stoßen, ihn der Herrschaft gewaltthätig berauben. So auch, jemanden von seinem Amte, aus dem Rathe, aus einer Gesellschaft stoßen. In das Gefängniß stoßen, werfen. Jemanden vor den Kopf stoßen, dessen Mißvergnügen durch eine unerwartete Beleidigung erwecken.

2. Figürlich. 1. Sich an etwas stoßen, ein Bedenken dabey haben, S. Anstoß. Woran stößt sich denn dein Herz noch? Gell. In einem andern Verstande ist, sich an etwas stoßen, sich ein wenig daran ärgern. So wird er seyn ein Stein des Anstoßens und ein Fels der Ärgerniß – – daß ihrer viel sich daran stoßen werden, Es. 8, 15. Aber, die Sache stößt sich noch daran, ist so viel, sie wird noch dadurch gehindert, aufgehalten. Es stößt sich noch an eine Kleinigkeit. (2) Zuweilen verlieret sich der Begriff der Heftigkeit, und da ist zusammen stoßen in manchen Fällen so viel, als zwey Stücke mit den Enden einander nähern, ingleichen auf solche Art verbinden, in welcher Bedeutung es bey den Schneidern, Tischlern, u.s.f. vorkommt. Im Oberdeutschen ist Geld zusammen stoßen, so viel, wie es zusammen schießen oder legen.

II. Als ein Neutrum.

1. In mehr thätigem Verstande, mit dem Hülfsworte haben. An etwas stoßen, es mit einem Stoße berühren. Die Winde stießen an das Haus. Der Habicht stößt auf Änten, Tauben, wenn er mit einem Stoße auf sie niederführet. S. Stößer und Stoßvogel. In das Horn, in die Trompete stoßen, einen kurzen Satz blasen. Bey den Jägern sagt man, der Jäger stößt ein gutes Horn, für bläset.

(2) In mehr leidendem Verstande und mit dem Hülfsworte seyn, gestoßen werden, heftig an einen andern Körper getrieben werden, so daß er diesem Zeitworte eigene Laut entstehe. (1) Eigentlich, wo es doch nur selten vorkommt. Das Schiff stieß auf den Grund, ist auf den Grund gestoßen. (2) Figürlich. (a) Zu jemanden stoßen, sich ihm nähern und sich mit ihm vereinigen, von Truppen und Mannschaften. Es sind noch hundert Mann zu dem Regimente, zehn Regimenter zur Armee gestoßen. (b) Auf jemanden stoßen, ihm unvermuthet begegnen. Ingleichen, auf etwas stoßen, es von ungefähr finden, antreffen. (c) Berühren, an etwas gränzen. Das Haus stößt an den Weg, der Garten an den Wald, das Feld an den Fluß. Deutschland stößt gegen Abend an Frankreich, gegen Mittag an die Schweiz und Italien. Beyde Felder stoßen an einander. So auch das Stoßen, S. auch der Stoß.

Anm. Bey dem Kero stozzon, bey dem Ottfried stozen, im Imperf. stiaz, bey dem Ulphilas stautan, im Nieders. stöten, im Schwed. stöta, im Ißländ. steytan, im Engl. ohne Zischlaut toss, wohin auch das Latein. tudere gehöret, welches anfänglich für tundere üblich war. Es ahmet den dumpfigen mit einem Stoße verbundenen Laut genau nach, welcher dumpfige Laut, theils von der Beschaffenheit der einander im Stoße berührenden Körper und ihrer Oberfläche, theils aber auch von der geringen Entfernung, aus welcher der Stoß geschiehet, herrühret; durch welche Umstände stoßen, von schlagen, und andern ähnlichen Handlungen unterschieden ist. Da es viele Abänderungen des Stoßes in Ansehung des damit verbundenen Lautes gibt, so giebt es in den gemeinen Sprecharten auch eine Menge eigener Wörter, diese Abänderungen auszudrucken, wohin z.B. hutzen, butzen, hurten, hirzen, gnucken, puffen, nubben, nieten, pütschen u.s.f. gehören. Da das o in diesem Worte und allen seinen Ableitungen lang ist, so ist der folgende Zischlaut kein doppeltes s, sondern ein eigentliches ß, welches der Mittellaut zwischen dem s und ss ist. Stossen würde ein vorher gehendes kurzes o voraus setzen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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