- Unter (2)
2. Unter, eine sehr alte Partikel, welche überhaupt den Umstand der Tiefe, in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding ausdruckt; im Gegensatze des über. Es ist in doppelter Gestalt üblich.
I. Als ein Nebenwort, wo es doch nur in dem im gemeinen Leben üblichen Ausdrucke mit unter vorkommt. Es muß mit unter gehen, mit unter laufen, es muß unter andern Dingen schon mitgehen, mitlaufen, wo es nicht die zu den Zeitwörtern gehörige Präposition ist, und daher mit denselben auch nicht als Ein Wort geschrieben werden darf. Ingleichen figürlich, zuweilen, zu manchen Zeiten, hin und wieder. Wir hatten schön Wetter, mit unter regnete es ein wenig. Mit unter gibt es noch ehrliche Leute. Sie haben Scenen mit unter, die u.s.f. Less. Man siehet leicht, daß diese R.A. eigentliche Ellipsen sind, wo die zu dem Vorworte gehörige Endung weggelassen worden, da denn jenes die Gestalt eines Nebenwortes bekommen hat. Mit unter stehet für, unter andern mit. Unter her und unter hin, oder, wenn man lieber will, unterher und unterhin, für herunter und hinunter, sind im Hochdeutschen veraltet.
Er stürze plötzlich unterhin,
Opitz.
II. Als ein Vorwort, welches wieder in einem doppelten Falle betrachtet werden kann. Es stehet entweder für sich allein, und hat sein Nennwort bey sich, oder es wird mit andern Wörtern zusammen gesetzt.
1. Für sich allein, in Begleitung seines Nennwortes, wo im Ganzen auch von diesem Vorworte dasjenige gilt, was bereits bey dessen Gegensatze über angemerket worden, daß nämlich der Gebrauch dieses Wortes in den Sprachlehren äußerst mangelhaft und unbestimmt angegeben wird. Die gewöhnliche Regel bey diesem und andern Vorwörtern, welche zweyerley Endungen zu sich nehmen, ist, daß sie auf die Frage worin? den Dativ, auf die Frage wohin? aber den Accusativ erfordern. Ob dadurch der Gebrauch dieses Vorwortes einem Unwissenden nur einiger Maßen erleichtert werden könnte, wird aus der Vergleichung mit dem folgenden erhellen. Wir finden dieses Wort sowohl mit dem Genitiv, als mit dem Dativ, als endlich auch mit dem Accusativ.
1) Mit dem Genitiv oder der zweyten Endung, in den R.A. unter Weges, unter dessen, unter Essens u.s.f. Doch da diese Fälle der Bedeutung nach mit zu der folgenden des Dativs gehören, so sollen sie dort erwogen werden.
2) Mit der dritten Endung oder dem Dativ. Es bedeutet alsdann.
(a) Einen Stand der Ruhe, oder Handlung im Stande der Ruhe, in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding, im Gegensatze des über.
ά) Eigentlich.
(1) Einen Stand der Ruhe in der Tiefe, in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding, einen Stand der Ruhe zwischen einem höhern Dinge und dem Mittelpuncte der Erde oder ihrer Oberfläche; im Gegensatze des über. Es liegt unter dem Tische. Unter einem Baume sitzen. Die Vögel unter dem Himmel. Das Fenster unter dem Dache. Unter dem freyen Himmel schlafen. Er wohnet sicher und ruhig unter seinem friedlichen Dache, Geßn. Du mit dem bedeckten Antlitze, unter deiner Hülle ist graues Haar.
Wohin denn auch verschiedene sprichwörtliche und figürliche Ausdrücke gehören. Mit jemanden unter einer Decke liegen, mit ihm an einer bösen Sache geheimen Antheil haben. Das ganze Land stehet unter Wasser, ist mit Wasser überschwemmet. Unter der Hand, heimlich, unvermerkt, in der Stille. Unter der Hand ließ ich es ihn errathen. Jemanden etwas unter der Hand zustecken.
(2) Eine Bewegung oder Handlung im Stande der Ruhe in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding; im Gegensatze des über. Es geschiehet nichts neues unter der Sonnen. Alle, die wir unter dem Monde leben. Mein Kind, das ich neun Monath unter meinem Herzen getragen habe, 2 Macc. 7, 28. Etwas unter dem Arme, unter dem Mantel tragen. Unter jemandes Fahne streiten. Unter der Last seufzen. Die Erde that sich unter seinen Füßen auf. Mein Herz hebt sich mühsam unter einer drückenden Last, Dusch. Hier schwank ich unter der geliebten Last, Raml. Etwas unter den Händen haben, daran arbeiten.
(3) Eine horizontale Bewegung in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding. Unter der Bank hervor ziehen. Unter dem Regen hin laufen. Unter der Brücke hin gehen. Unter dem gewölbten Gange spatzieren gehen. Unter dem Wasser schwimmen, gehen. Hier auf dem Gipfel des Berges, wo tief unter mir furchtbare Gewitter hinziehen. Das Vorwort über erfordert in einigen ähnlichen entgegen gesetzten Fällen die vierte Endung. Ein Deckel über den Topf; ein Gestell unter den Tisch. Der Unterschied rühret von den verschiedenen Nebenbegriffen her, von welchen bey dem Vorworte über bereits das nöthigste gesagt worden.
β) Figürlich.
(1) Sehr oft bezeichnet es dasjenige Verhältniß, da ein Ding von einem andern höhern oder mächtigern eingeschränket ist, eine Unterwerfung, Unterthänigkeit; im Gegensatze des über. Ich habe unter mir Kriegsknechte, Matth. 8, 9. Ein Weib, das unter dem Manne ist, Röm. 7, 2. Unter dem Gesetze seyn, Gal. 4, 3. 5. Unter dem Joche seyn, leben. Unter dem Zwange, unter der Aufsicht, unter dem Gehorsam stehen, leben. Unter einem weisen Monarchen leben. Unter ihm wirds wachsen, Zachar. 6, 12. Unter den Waffen schweigen die Gesetze, wenn die Waffen die Oberhand haben. Unter dem Aufsehen und dem Schutze des großen Herren der Welt seyn. Sich unter der Leitung der Magnetnadel auf das ungeheuere Weltmeer wagen. Alles unter sich, unter seinem Beschlusse haben. Alles Geld unter seinen Händen, unter seinem Schlüssel haben. Wenn ich es auch unter zehn Schlössern hätte, so wollte ich es hergeben, wenn es auch mit zehn Schlössern verwahrt wäre.
(2) Ingleichen das Verhältniß des geringern Ranges in Beziehung auf etwas Vornehmeres; im Gegensatze des über. Er saß unter mir, mir zur linken Hand. Der Rathsherr gehet unter dem Doctor, gehet ihm zur linken Hand. Im gemeinen Leben auch das Verhältniß des geringern Werthes. Du bist weit unter ihm, kommst ihm an Verdiensten u.s.f. nicht gleich.
(3) Das Verhältniß einer geringern Zahl, eines geringern Preises. Unter zehn Thalern kann ich es nicht geben, nicht geringer als für zehn Thaler. Eine Wittwe unter sechzig Jahren, 1 Tim. 5, 9. welche noch nicht sechzig Jahre alt ist. Unter zehn Tagen werde ich nicht fertig. Kinder unter zehn Jahren. Unter drey Monathen wird er nicht wieder kommen. Eine Waare unter dem gewöhnlichen Preise verkaufen, wohlfeiler als der gewöhnliche Preis ist. Gottsched hatte sich durch den Fehler des großen Haufens, ich gebe es nicht unter funfzig Thaler, verleiten lassen, dem Vorworte in dieser Bedeutung die vierte Endung zuzuschreiben, welcher Irrthum aber wohl keiner weitern Widerlegung bedarf.
Merkwürdig ist indessen, daß über in den Gegensätzen dieser drey letztern Bedeutungen allemahl die vierte Endung erfordert. Über andere herrschen; unter einem stehen. Sey ein Herr über deine Brüder; demüthige dich unter ihm. Der Jünger ist nicht über seinen Meister; du bist weit unter ihm. Über einen Fürsten sitzen; unter einem Bauer gehen. Über vierzig Jahre alt; ein Mann unter vierzig Jahren. Ich komme über vierzehn Tage wieder; unter vierzehn Tagen kann ich nicht wieder kommen. Welches denn doch wohl nur den verschiedenen Nebenbegriffen zuzuschreiben ist, unter welchen man sich anfänglich diese Fälle gedacht.
(4) Die Art und Weise, doch nur in solchen Fällen, wo das Bild eines darüber befindlichen Dinges Statt findet. Sich unter einer Maske in den Tanzsal einschleichen. Jemanden unter der Larve der Freundschaft hintergehen. Jemanden seine Gedanken unter Bildern vortragen, in der Gestalt der Bilder. Im Winter fällt die Natur unter einem drohenden schrecklichen Bilde in die Augen. Unter dem Nahmen des Vergnügens liegt oft strafbare Ausschweifung verborgen. Eine Arzeney, welche unter dem Nahmen des Theriakes bekannt ist. Unter seinem Nahmen, Röm. 1, 5. Unter der Bedingung, unter dem Scheine, unter dem Vorwande. Unter solchem Schein, Jer. 2, 23. Unter der Gestalt eines Engels erscheinen, besser in der Gestalt. Ich glaube unter gewissen Fällen das Gegentheil, besser in gewissen Fällen. Unter seiner eigenen Hand und Unterschrift.
(b) Ein Daseyn, ein Mitbefinden zugleich mit andern Dingen dem Orte nach, gleichsam in der Mitte derselben. Wenn es aber eine Bewegung, eine Bemühung zu dieser örtlichen Coexistenz bezeichnet, so erfordert es die vierte Endung.
ά) Eigentlich. Einer unter ihnen. Unter welchen ist Hymenäus und Philetus, Timoth. 2, 17. Der Gläubigen ist wenig unter den Menschenkindern, Ps. 12, 2. Der da wandelt mitten unter den sieben Leuchtern, Offenb. 2, 1. Uneinigkeit unter Eheleuten. Das ist so unter uns üblich. Er war mit darunter. Unter den Zuschauern sitzen. Du bist der schönste unter den Menschenkindern, Ps. 45, 3. Der größte, der weiseste, der gelehrteste unter allen. Unter zehn Ducaten war nur einer zu leicht. Unter allen Speisen ist diese die gesündeste. Unter andern Ursachen ist auch diese zu bedenken. Wo das zu ander gehörige Hauptwort oft verschwiegen wird. Unter andern sagte er auch dieß. Es geschahen viele Wunderzeichen; unter andern regnete es auch Blut. Es liegt alles unter einander. Unter zweyen Übeln das kleinste wählen. Unter seinen Söhnen habe ich mir einen König erwählet, 1 Sam. 16, 1. Sich unter mehrern das Beste aussuchen. Einen Unterschied unter mehrern Dingen machen. So lange der Erbe ein Kind ist, so ist unter ihm und einem Knechte kein Unterschied, Galat. 4, 1. Wo es denn oft auch eine Handlung im Stande der Ruhe unter mehrern Dingen bezeichnet.
Dahin gehöret auch das in der vertraulichen Sprechart übliche unter uns. Das soll unter uns bleiben, außer uns soll es niemand erfahren. Unter uns geredet, gesprochen, so, daß es außer uns niemand erfahre. Unter uns gesagt. Bekennen sie nur unter uns, daß sie lieben.
Unter bezeichnet in diesem Verstande bloß ein Mitbefinden in der Reihe mehrerer Dinge, ohne weitere nähere Bestimmung des Platzes, als daß sich ein Ding gleichsam in der Mitte anderer befinde, gleichsam mit denselben vermengt sey. Um des Nachdrucks willen setzet man oft noch mitten dazu. Er war mitten unter uns. Näher bestimmt dieses Mittbefinden das Vorwort zwischen, welches im Hochdeutschen allemahl ein Daseyn oder eine Handlung im Stande der Ruhe in der Mitte oder gleichsam in der Mitte zweyer Dinge bezeichnet. Dessau liegt zwischen Magdeburg und Berlin. Es ist ein Unterschied zwischen mir und dir. Hingegen sagt man auch, es ist ein Unterschied unter weiß und schwarz. In den Niederdeutschen Mundarten wird zwischen sehr häufig für unter gebraucht, welches auch den aus Nieder-Deutschland gebürtigen Hochdeutschen Schriftstellern anklebt.
Unter kommt in dieser Bedeutung mit dem Lat. inter genau überein, so wie beyde in derselben mit in verwandt sind. Viele unserer Wortforscher haben diese Bedeutung getadelt. Wachter sagt, das ganze Alterthum habe sie nicht gekannt, und wir könnten sie auch jetzt füglich entbehren. Ihre behauptet, das Schwedische in gleicher Bedeutung übliche under sey von unwissenden Dolmetschern nach dem Lateinischen inter gemodelt; und Stosch setzt noch hinzu, daß dieser Gebrauch oft Mißdeutung verursache. Allein, es läßt sich doch noch manches zur Vertheidigung derselben anbringen. Wahr ist es, daß unter in dieser eigentlichen Bedeutung bey alten Oberdeutschen Schriftstellern noch nicht angetroffen worden; aber es kommt doch in den folgenden figürlichen häufig genug vor, woraus denn erhellet, daß auch diese eigentlichere ihnen nicht unbekannt gewesen seyn müsse, wenn sie gleich in den wenigen von ihnen noch vorhandenen Überresten nicht angetroffen wird. Es ist also eine bloße Vermuthung, daß unter nach dem Lateinischen inter gebildet sey, welche eben so unwahrscheinlich ist, als wenn jemand behaupten wollte, in, aus, über u.s.f. wären aus in, ex, super, entlehnet. Unter scheinet in dieser Bedeutung vielmehr ein von dem vorigen ganz verschiedenes Wort zu seyn, und zu und mit demselben auch zu in zu gehören, in welchen der Begriff der Verbindung der herrschende ist, der auch hier der Stammbegriff zu seyn scheinet. Die von Stosch vorgegebene Vieldeutigkeit wird sich sehr verliehren, wenn man nur auf den Zusammenhang achtet. Es war mit Seide gestickt und Gold darunter, wird sich alsdann gewiß nicht so verstehen lassen, daß das Gold unter der Seide gelegen habe, und von derselben bedeckt gewesen. In den R.A. aber, er ist weit unter ihm, und er gehört unter die großen Gelehrten, erhellet der Unterschied der Bedeutung schon aus der verschiedenen Endung. Allenfalls würde unter diese Vieldeutigkeit mit allen übrigen Vorwörtern gemein haben, deren jedesmahlige Bedeutung unter so vielen in den meisten Fällen aus der Verbindung des Ganzen ersehen werden muß. Es ist daher gar nicht abzusehen, wie wir diese Partikel entbehren könnten, da wir kein anderes Wort haben, diesen Begriff auszudrücken; denn daß wir das Niedersächsische mank dafür aufnehmen sollten wird wohl im Ernste niemand anrathen, gesetzt es wäre auch besser als jenes, wie doch unerweislich ist. Im Hochdeutschen ist es schon darum verwerflich, weil es dieser Mundart fremd ist.
β) Figürlich.
(1) Den Umstand der Zeit, doch nur so fern angedeutet werden soll, das etwas erfolget, indem ein anderes Ding geschehen, eine Coexistenz der Zeit nach, so wie in der vorigen Bedeutung eine Coexistenz des Raumes, wenn man nur das Wort Coexistenz in beyden Fällen nicht in dem weitesten Umfange seiner Bedeutung nimmt. Es druckt in diesem Verstande eben den Begriff aus, welchen man sonst auch durch über, während, und zuweilen auch durch bey und in zu bezeichnen pflegt. Unter der Arbeit einschlafen, indem man arbeitet, über der Arbeit, wo über nur noch den Nebenbegriff der Veranlassung hat. Unter dem Tumulte nach Hause eilen. Unter dem Essen, unter dem Lesen. Unter der Gemeine, 1 Cor. 14, 34; wofür man jetzt lieber sagen würde, während der Versammlung. Unter der Stunde des Räucherns, Luc. 1, 11. Meine Haare sind unter Freuden grau geworden, Geßn. Durch diese Denkungsart ist unter lauter Freuden mir das Haar verbleichet, Kleist. Dieser große Gedanke muß deine Seele unter ihrem Grame mächtig aufrichten; wo es aber auch eine Figur der ersten Hauptbedeutung seyn kann. Sie ging unter Vergießung vieler Thränen nach Hause.
Auch unter schlauen Scherzen
Bleibt doch die Liebe schön,
Weiße.
Unter der Zeit, während derselben, indessen.
Ehedem wurde es in dieser Bedeutung häufig mit der zweyten Endung verbunden, und in manchen Mundarten und Fällen ist solches noch üblich, doch nur ohne Artikel. Unter Essens, im gemeinen Leben, für unter dem Essen. Unter Tages, bey Tage da es noch Tag ist, im Gegensatze des unter Nachts, während der Nacht. Unter Weges, auf dem Wege, welches auch unterweges, und im gemeinen Leben unterwegens lautet, aber auch mit der dritten Endung üblich ist, unter Wegen, oder unterwegen. Figürlich ist unter Weges lassen und bleiben, im gemeinen Leben so viel als unterlassen und unterbleiben. Besonders gehöret hieher unter dessen oder unterdessen, zusammen gezogen unterdeß, welches als eine eigene Partikel von einem beträchtlichen Umfange der Bedeutung ist, aber in der edlern Schreibart gern mit indessen verwechselt wird. S. dieses Wort, wo bereits das nothwendigste davon gesagt worden. Unter Lichts hingegen, welches in einigen gemeinen Mundarten für in der Dämmerung üblich ist, gehöret nicht hierher, weil unter hier auf eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Art für zwischen stehet gleichsam zwischen zwey Lichtern, wie man auch im Niederdeutschen sagt. Diese Wortfügung ist alt, denn schon bey dem Strycker kommt inder des er das sprach vor, Ottfried aber gebraucht dafür innan thes, indessen. Es erhellet hieraus zugleich, daß unter in dieser zweyten Hauptbedeutung den Alten nicht so unbekannt war, als Wachter glaubte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Genitiv nicht sowohl von dem Vorworte, als vielmehr von einem ausgelassenen Hauptworte, z.B. Zeit, u.s.f. herrühret.
Im gemeinen Leben wird unter in dieser Bedeutung gern mit dem gleich bedeutenden während verbunden: unter währendem Gebethe, unter dem Gebethe, während des Gebethes; welches aber ein Pleonasmus ist, welcher in der anständigen Sprech- und Schreibart vermieden werden muß, wenn gleich auch Opitz sagt: unter währendem Gespräche.
(2) In engerm Verstande, in Verbindung mit der vorigen Bedeutung der Herrschaft, der Gewalt, der Regierung; während der Regierung eines Obern. Unter der Regierung Kaiser Carls 6. Unter dem Kaiser Claudio, Apost. 11, 28. Unter Pontio Pilato, 1 Tim. 6, 13. Unter ihm wirds wachsen, Zachar. 6, 12. Unter Heinrich 7. ward Nord-Amerika entdecket, während seiner Regierung. Unter dem Bürgermeister Cajus.
3) Wenn dieses Vorwort mit der vierten Endung oder dem Accusativ verbunden wird, so bezeichnet es:
(a) Ein Verhältniß der Tiefe im Stande der Bewegung, in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding, im Gegensatze des über.
ά) Eigentlich, eine Bewegung in die Tiefe, oder bloß eine Bewegung in einen Raum in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding. Sich unter einen Baum setzen. Etwas unter die Treppe werfen. Sich unter das Wasser tauchen. Sich unter ein Faß verstecken, wo das Zeitwort gleichfalls die Richtung der Bewegung mit andeutet. Das Licht unter einen Schäffel setzen. Er machte zween güldne Rinken unter den Kranz, 2 Mos. 37, 27; wo machen gleichfalls die Richtung der Bewegung mit ausdruckt, weil sonst die dritte Endung stehen müßte. Ich bin nicht werth, daß du unter mein Dach gehest, Matth. 8, 8. Komme ich wieder zurück unter mein ruhiges Dach, o, wie entzückt mich da deine holde Geschäftigkeit, mich zu erquicken! Geßn. Es ist zu groß, es gehet nicht darunter. Seide unter das Kleid füttern. Unter das Joch bringen. Sich unter den Adel seines Wesens erniedrigen. Jemanden unter die Laube laden. Die Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel. Sich unter jemandes Herrschaft begeben.
Ingleichen in den theils sprichwörtlichen theils figürlichen Redensarten. Ein Land unter Wasser setzen, es überschwemmen. Jemanden etwas unter die Hand, unter den Fuß geben, ihm ins geheim Nachricht von etwas, einen Anschlag zu etwas geben. Ein Gesetz unter die Füße treten, es mit vorsetzlicher Verachtung übertreten. Unter Segel gehen, die Segel aufspannen und fortschiffen. Jemanden unter die Augen sehen, ihm gerade in das Gesicht sehen. Jemanden unter die Augen treten, kommen, in seine Gegenwart kommen. Komme mir nie wieder unter die Augen! Jemanden Grobheiten unter die Augen sagen, sie ihm ungescheut persönlich sagen. Jemanden etwas unter die Nase reiben, in den niedrigen Sprecharten, es ihm vorrücken, vorwerfen. Jemanden unter die Erde bringen, sowohl eigentlich, ihn beerdigen, im gemeinen Leben, als auch figürlich, Schuld an seinem Tode seyn. Will er mich vor der Zeit unter die Erde bringen? Gell. Viel Köpfe unter einen Hut bringen, sie eines Sinnes machen.
β) Figürlich, eine Bewegung oder Handlung, so fern dadurch ein Ding der Gewalt eines andern übergeben oder ausgesetzet wird; im Gegensatze des über. Der Amtmann befahl ihm unter seine Hand alle Gefangene, 1 Mos. 39, 22. Der Herr gab sie unter die Hand der Midianiter, verkaufte sie unter die Hand Cusan u.s.f. welche biblische R.A. mit dem Worte Hand für Gewalt ungewöhnlich sind. Die Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangen nehmen, 2 Cor. 10, 5. Unter das Gesetz gethan, Gal. 4, 4. Etwas unter seine Gewalt, unter das Joch bringen.
(b) Eine Bewegung oder Handlung nach der Mitte mehrerer Dinge, gleichsam ein Ding mit andern zu vermengen; sowohl eigentlich als figürlich. Unter die Todten gerechnet werden. Jemanden unter seine Freunde rechnen, zählen. Sich unter die Tänzer einschleichen. Alles unter einander werfen, mischen u.s.f. Er gehöret mit unter die wenigen Rechtschaffenen. Das gehöret nicht darunter. Unter Mörder gerathen. Mitten unter das Volk gerathen. Es reißen viele üble Gewohnheiten unter sie ein. Daß es nicht weiter einreiße unter das Volk. Apost. 4, 17; wo doch mit dem Zeitworte einreißen die dritte Endung üblicher ist, weil die Handlung hier auch im Stande der Ruhe betrachtet werden kann; es ist unter ihnen eingerissen. Die Beute unter sich theilen. Was ist das unter so viele? Den Überschuß unter die Armen austheilen. Den Sauerteig unter das Mehl, Spreu unter das Getreide thun. Thue ein wenig Salz darunter. Die Landmilitz unter die regulären Truppen stecken. Unter die Soldaten gehen. Sprichw. Wer sich unter die Träber mengt, den fressen die Schweine. Menge, mische es darunter. Etwas unter die Leute bringen, es bekannt machen. Es kommt unter die Leute, im gemeinen Leben, es wird bekannt. Jemanden etwas unter vier Augen sagen, im gemeinen Leben, es ihm allein, ohne alle andere Zeugen sagen. Es gibt Belehrungen, die nicht unter vier Augen gehören, Hermes.
Wenn in einigen Fällen, deren doch nur wenige sind, beyde Endungen, sowohl die dritte als vierte, üblich sind, so rühret solches daher, weil die Handlung bald im Stande der Ruhe, bald auch im Stande der Bewegung, betrachtet wird. Fehlerhaft aber sind folgende Stellen: Das sind die Erbtheile, die Eleasar, und Iosua unter den Geschlechten austheileten, für, unter die Geschlechter. Ein kluger Knecht wird unter den Brüdern das Erbe austheilen, Sprichw. 17, 2; wo der Dativ eine ganz falsche Bedeutung veranlassen könnte. Sie begruben ihre Gebeine unter dem Baum, 2 Sam. 31, 13; wo der Dativ ungewöhnlich ist, ob gleich die Natur der Sache denselben verstattet. Er ließ seinen Leichnam unter dem gemeinen Pöbel begraben, Jer. 26, 23; für unter den. Dagegen stehet 2 Chron. 24, 16. ganz richtig, sie begruben ihn unter die Könige. Unter den Kindern Gottes kommen, Hiob 1, 6. Kap. 2, 1. Und so in andern Stellen mehr. 2. Was die Zusammensetzung dieses Wortes mit andern Wörtern betrifft, so lässet es sich zusammensetzen, 1) Mit Partikeln, wo das Vorwort bald voran stehet, wie in den Oberdeutschen unterhin und unterher, für hinunter und herunter, unterwärts, unterhalb, dem gleichfalls Oberdeutschen untereinst für unterdessen; bald nachfolgt, wie in darunter, hierunter, herunter, hinunter, worunter. Daß die Auflösung der mit den relativen Partikeln da und wo zusammen gesetzten Vorwörter oft ein Fehler wird; ist schon bey Da II. angemerket worden.
2) Mit Nennwörtern, wo sowohl Bey- als Hauptwörter diese Zusammensetzung leiden. Zu den erstern gehören unterthänig, unterwürfig u.s.f. welche doch größten Theils von Haupt- oder Zeitwörtern abgeleitet sind; zu den letztern aber Unteracht, Unterblatt, Untergang, Untergericht, Unterholz, Unterlaß, Unterhalt, Unterthan, Unterlippe, Unterleib, Unterpfand, Untertheil, nebst vielen andern. Diese Wörter bezeichnen theils ein Ding, welches unter zweyen einer Art das untere ist, theils etwas, welches der Gewalt, der Würde, dem Range nach einem andern nachstehet, beydes im Gegensatze der mit Ober- zusammen gesetzten Wörter gleicher Art. In manchen ist die eigentliche Bedeutung des Vorwortes noch dunkel, welches auch von vielen der mit dieser Partikel zusammen gesetzten Zeitwörtern gilt; ob gleich manche deutlich genug nach den mit inter zusammen gesetzten gleichbedeutenden Lateinischen Wörtern gebildet zu seyn scheinen.
3) Mit Zeitwörtern, da denn dieses Vorwort mit zu den wenigen gehöret, welche in der Zusammensetzung den Ton bald behalten, bald auf das Zeitwort werfen.
Diejenigen, in welchen der Ton auf der Partikel bleibt, haben das gewöhnliche Augment ge, und im Infinitiv tritt das zu zwischen dem Vor- und dem Zeitworte. Überhaupt ist das Vorwort hier eine trennbare Partikel, welche in der Conjugation hinter das Zeitwort tritt. Der Landmann ackert den Samen unter. Die Sonne ist untergegangen. Es unter zu schieben. Die Zeitwörter dieser Art sind bald Activa; wie unterackern, unterarbeiten, unterbreiten, unterbringen, unteregen, unterfüttern, unterlegen, unterpflügen, untersetzen, unterstecken, unterscharren, unterschieben, unterstreuen. Bald Neutra, wie untergehen, unterkommen, unterkriechen, unterliegen, untersinken, untertauchen.
In andern liegt der Ton auf dem Zeitworte. In diesen ist das Vorwort untrennbar, daher es die ganze Conjugation vor demselben stehen bleibt. Das Augment fällt in den vergangenen Zeiten weg, und im Infinitiv tritt das zu vor die ganze Zusammensetzung. Wer unterhält ihn? Es ist noch nicht unterschrieben. Seine Absichten zu unterstützen. Dahin gehören die Activa: unterbauen, unterbinden, unterbrechen, unterdrücken, unterfangen, unterfressen, untergeben, untergraben, unterhalten, unterhandeln, unterjochen, unterlassen, unterminieren, unternehmen, unterrichten, untersagen, unterscheiden, unterschlagen, unterschreiben, untersiegeln, unterstreichen, unterstützen, untersuchen, unterweisen, unterwerfen, unterwinden, unterzeichnen, unterziehen. Ingleichen die Neutra, unterbleiben, unterreden, und das Reciprocum sich unterstehen.
In einigen ruhet der Ton nach dem Unterschiede der Bedeutung bald auf dem Vor- bald aber auch auf dem Zeitworte; welche denn auch auf beyderley Art conjugieret werden. Unterstehen, das ist, unter ein Obdach treten, und sich unterstehen; die Hand unterhalten, und jemanden unterhalten; einen Balken unterziehen, und sich einer Sache unterziehen. Man siehet schon hieraus, daß die Regeln hier nicht anzuwenden sind, nach welchen sich die mit durch, um und über zusammen gesetzten Zeitwörter in den meisten Fällen bestimmen lassen. Weder die active und neutrale Form, noch die Bedeutung liefert etwas, welches zu einer Regel dienen könnte; daher man es hier bloß aus dem Gebrauche ersehen muß, ob der Ton auf der Partikel oder auf dem Zeitworte haftet.
Anm. 1. Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart wird dieses Vorwort gern mit den Artikeln, dem, den und das zusammen gezogen; unterm, untern und unters für unter dem, unter den und unter das. Die anständige und edle Schreibart vermeidet diese wie alle ähnliche Zusammenziehungen.
Anm. 2. Diese Partikel lautet schon bey dem Ulphilas undar, im Isidor, bey dem Kero, Willeram u.s.f. undar, untar, unter, im Holländ. onder, im Nieders. Schwed. Isländ. Dän. und Angels. under; im Wallisischen aber wrth. So wie in dessen Gegensatze über allem Ansehen nach zwey verschiedene Bedeutungen zusammen geflossen sind, die Bedeutung der Höhe und der horizontalen Richtung, so finden auch bey diesem zwey Hauptbedeutungen Statt, die der Tiefe in Beziehung auf ein oberes Ding, und die des örtlichen Mitbefindens in der Mitte mehrerer Dinge, welche mit dem Begriffe der Verbindung sehr genau zusammen hänget so, daß unter in dieser Bedeutung als ein naher Verwandter von und, in u.s.f. angesehen werden muß, zumahl da die Endsylbe er eine bloße Ableitungssylbe ist. Das Lat. inter ist nicht sowohl die Quelle, als vielmehr ein gleichzeitiger Seitenverwandter des Deutschen, so wie in der ersten Hauptbedeutung infra. Aus manchen der folgenden Zusammensetzungen erhellet, daß dieses Wort ehedem noch manche jetzt unbekannte Bedeutungen gehabt haben müsse.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.