Völlig

Völlig

Völlig, adj. et adv. völliger, völligste, welche Comparation doch nur in der dritten Bedeutung am üblichsten ist. Es ist von voll und der Ableitungssylbe ig, und bedeutet vermöge dieser Zusammensetzung voll seyend, seine Fülle habend. 1. Von Wörtern, welche eine Zahl, Maß und Gewicht bedeuten, alle dazu gehörige einzelne Theile habend, wofür auch sowohl voll als vollkommen gebraucht wird. Ein völliges Gewicht, 1 Mos. 43, 21. Ein völliger Scheffel, 5 Mos. 25, 15. Indessen wird es in dieser mehr eigentlichen Bedeutung wenig mehr gebraucht; am wenigsten aber in der Adverbial-Form. Doch sagt man noch ein völliges Jahr, es ist noch nicht völlig Ein Jahr. 2. In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung, alle nöthige Grade der Stärke und des Umfanges habend, wie vollkommen, doch nur von Sachen, und auch hier nur mit einigen Hauptwörtern. Ich habe meine völlige Arbeit, d.i. ich habe so viel Arbeit, als ich nur bestreiten kann. Eine völlige (vollkommne, gänzliche) Gleichheit. Jemanden völlige Genüge thun, vollkommne. Jemanden völlige Freyheit lassen. Seinen völligen Staat anlegen, allen seinen Staat. So auch in der Adverbial-Form, für gänzlich, vollkommen. Ich bin noch nicht völlig fertig. Er ist ihm völlig gleich. Es ist nicht völlig so groß. Du bist völlig von meiner Länge. Er schlug es völlig ab. Darin bin ich nicht völlig ihrer Meinung. In der Deutschen Bibel wird es noch in vielen jetzt veralteten Fällen für vollkommen überhaupt gebraucht. Der Herr lasse die Liebe völlig werden unter einander, 1 Thess. 3, 12. Wie ihr sollt wandeln, – daß ihr immer völliger werdet, Kap. 4, 1. 10. Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden, Offenb. 3, 2. Alles, was völlig und herrlich war, Kap. 18, 14. 3. Im engsten Verstande wird völlig im Hoch- und Niederdeutschen für corpulent gebraucht. Ein wenig völlig seyn, ein wenig corpulent. Ein völliger Mann. Ein völliges Gesicht haben, völlig im Gesichte seyn. Vollkommen wird häufig in eben demselben Verstande gebraucht. Luther gebraucht dieses Wort auf ähnliche Art für massiv. Das war alles völlig Gold, 2 Chron. 4, 21; von gediegenem Golde.

Anm. Schon bey dem Ottfried, der es sehr häufig für vollkommen überhaupt gebraucht, fulucho, im Nieders. vullig, im Angels. fullice. Unser heutiger Hochdeutsche Gebrauch ist nur ein Überbleibsel des ältern, da es sowohl für voll, als auch für vollkommen gebraucht wurde; daher werden sich auch die Fälle, wo es jetzt noch gangbar ist, wohl nicht leicht durch Regeln bestimmen lassen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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