- Biegen
Biegen, verb. irreg. ich biege, du biegst, er biegt; ich bog; gebogen; welches in einer dreyfachen Gestalt vorkommt.
I. Als ein Activum. 1) Eigentlich, die äußersten Puncte der Länge eines Körpers vermittelst einer Krümme an einander zu bringen suchen. Etwas krumm biegen. Einen Reif biegen.
Bieg einen alten Stamm, versuchs, und er wird brechen,
Weiße.
2) In weiterer Bedeutung, die äußersten Puncte eines Körpers vermittelst einer Krümme einem andern Körper nahe zu bringen suchen. Etwas auf die Seite biegen. Schöner Schmetterling, biege die Blume zum Bach hin, und sieh da deine schöne Gestalt, Geßn. 3) In noch weiterer Bedeutung wird das Participium gebogen zuweilen gebraucht, eine jede krummlinige Figur, besonders wenn sie Theilen eines Zirkels ähnlich ist, auszudrucken.
II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, gebogen werden. Es muß biegen oder brechen.
Tadler und Verläumdungsmesser
Biegen wie geschliffnes Bley,
Günth.
Doch in dieser Form kommt es im Hochdeutschen nur selten vor; desto häufiger aber,
III. Als ein Reciprocum, sich biegen, die vorige Bedeutung des Neutrius auszudrucken. Das Bret biegt sich. Die Äste biegen sich vor den vielen Früchten. Sich vor einem schmiegen und biegen müssen, im gemeinen Leben. Man biegt sich mit Bedacht in ihr Joch, das uns andere in einer fröhlichen Unbesonnenheit überwerfen müssen, Less. In weiterer Bedeutung, eine gebogene, d.i. krummlinige Gestalt haben. Hier biegt sich der Weg rechter Hand. Der Fluß biegt sich tief in das Land.
Daher die Biegung, so wohl von der Handlung des Biegens, als auch von einer gebogenen, d.i. krummlinigen Gestalt. Die Biegung eines Flusses. S. auch Biege, Bogen und Bug.
Anm. Im Oberdeutschen ist biegen das Neutrum von dem Activo beugen. Die Hochdeutschen haben diesen Unterschied aus der Acht gelassen, und gebrauchen beyde Zeitwörter thätig; doch so, daß biegen mehr in der eigentlichen Bedeutung und im gemeinen Leben, beugen aber mehr in der höhern Schreibart und in den figürlichen Bedeutungen üblich ist. S. Beugen. Das Gehör wird daher beleidiget, wenn einige in der edlern Schreibart biegen gebrauchen.
Wenn Jahre erdenwärts der Mutter Stirn gebogen,
Dusch.
Daß ich nicht gleich den Hut gezogen,
Und mich nicht tief vor dir gebogen,
Erweit.
Noch mehr aber, wenn solches in figürlicher Bedeutung geschiehet:
Der dem du allbereits durch andre Qual gebogen,
Günth.
Es bog dein Flehn die säumenden Gemüther,
Günth.
Indessen ist dieser Unterschied schon in den ältesten Zeiten so genau nicht beobachtet worden. Notker gebraucht biegen thätig und in der eigentlichen Bedeutung: So man alte reba uuinget, unde man sie biegendo in die erda bechrebet, Ps. 79. Ottfried gebraucht es hingegen als ein Neutrum für sich neigen:
Er bieget zemo guate
Ist vbilo imo in muate,
B. 5, Kap. 25.
S. Beugen, die Anm.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.