- Abenteurig
* Abenteurig, adj. für abenteuerlich, welches aber wenig mehr gehöret wird.
Aber, eine Partikel, welche in gedoppelter Gestalt vorkommt.
I. * Als ein Nebenwort der Zeit, für wiederum. Im Hochdeutschen ist es bis auf einige zusammen gesetzte Wörter, als abermahl, Aberacht, Abersaat, u.s.f. völlig veraltet, ob es gleich in Luthers Bibelübersetzung noch oft vorkommt und in Oberschwaben auch noch jetzt üblich ist. Die im gemeinen Leben übliche R.A. ich habe es tausend- und aber tausendmahl gesagt; ingleichen, seyn sie tausendmahl willkommen, und aber tausendmahl willkommen, Less. O Geitz und aber Geitz! Opitz, sind auch noch ein Überbleibsel davon.
In einigen andern zusammen gesetzten Wörtern ist es aus after entstanden, und bedeutet alsdann eine unächte Beschaffenheit desjenigen Begriffes an, mit welchem es verbunden ist; wie z. E. in Aberknoblauch, Aberäsche u.s.f. besonders aber in den veralteten Aberkönig, Aberpapst u.s.f. für Afterkönig, Afterpapst. Es scheint, daß dieses Nebenwort, welches bey dem Kero und andern ältern Schriftstellern Auur, Abur, geschrieben wird, besonders der Alemannischen Mundart eigen gewesen. Doch kommen auch das Isl. aptur, das Goth. aftra, das Angels. eft, und das Schwed. âter, in eben dieser Bedeutung vor. Bis zu Ende des 15ten Jahrhunderts war es als ein Nebenwort der Zeit sehr gebräuchlich; z.B.
Nu sint die liehten langen sumer tage
Mir aber ane froeide hingescheiden,
Markgraf Heinrich von Meißen.
Allein nachmahls fing es an, nach und nach zu veralten, bis es von dem gleichbedeutenden wiederum völlig verdrängt wurde, und dessen meisten Composita, z.B. Aberung, Wiederhohlung, Abirburt, Wiedergeburt, aburfangan, wiederhohlen, Aberene, Urgroßvater, Aberthat, Ausschweifung u.s.f. haben kein besseres Schicksal gehabt. Andere, wie z.B. Aberwille für Unwillen, sind noch in der Schweiz und andern Oberdeutschen Gegenden üblich. II. Als ein Bindewort, dessen Bedeutungen mit allen ihren Schattirungen eben nicht leicht zu bestimmen sind. Vielleicht werden sich die meisten derselben unter folgende Fälle bringen lassen. Es steht,
1. Im Nachsatze, wo es dessen Verhältniß gegen den Vordersatz andeutet, und bezeichnet alsdann:
(1) Die Ursache, warum der Ausspruch im Vordersatze nicht Statt findet. Er könnte gesund seyn, aber er hält sich nicht darnach. Er würde gehorsam seyn, aber andere hetzen ihn auf. Ich hätte es gethan; aber, ach! es ist mein Vater. Ich hätte dir vergeben; nun aber, da du so frech bist u.s.f. Es wäre möglich, aber es ist verbothen, oder, so aber ist es verbothen. (2) Einen völligen Gegensatz dessen, was im vorher gehenden gesagt worden, und kann alsdann oft auch durch hingegen oder im Gegentheile ersetzet werden. Die Männer wissen von nichts als von Feuer und Schwerte; wir aber haben gelindere Mittel, uns zu rächen. Das sind Fehler der Sitten, nicht aber des Alters. Ich dachte immer, die Kälte oder die Hitze würde ihm die Gedanken schwächen; aber nein! er blieb artig, ohne Unterlaß witzig, Gell. Die schöne Morgenröthe hatte ihm sonst Lieder abgelocket; aber jetzt sang er nichts, Gesner.
O, sage was du willst, du liebst ihn doch im Stillen,
Ich aber lieb ihn nicht,
Gell.
(3) Eine nähere Bestimmung in Gestalt eines Gegensatzes, ingleichen eine Ersetzung oder Compensation dessen, was im Vordersatze war behauptet oder geläugnet worden. Ihre Schönheit blendet zwar nicht; aber sie gehet an das Herz. Du bist freylich nicht die schönste; aber du wirst gewiß versorgt werden, Gell. Da denn der Vordersatz nicht eben gerade eine Verneinung enthalten darf. Sie hat jetzt Besuch bey sich; sie wird aber auf den Abend die Ehre haben, ihnen ihre Visite zu geben, Gell. Die stille Gegend hat ihn bisher aufgehalten; aber jetzt kam er zurück, Gesner. Zwar kommen donnernde Wolken im segenvollen Sommer; aber murre nicht, wenn Zevs unter deine Hand voll Tage auch trübe Stunden mischet, Gesn. (4) Eine Einschränkung des Vordersatzes, für allein; und zwar, a) eine Vernichtung oder Entkräftung dessen, was im Vordersatze war gesaget worden, oder doch der Wirkung desselben. Ich suchte ihn; aber er war nicht da. Ich wartete auf ihn; aber er kam nicht. Sie hatte sich recht schön, sehr schön geputzt; aber, es ist alles eitel, Gell. Sie wissen, ich kann ihnen nichts abschlagen; aber ich bin gar zu krank, Gell. Wir sehen weit hinaus auf fremde Gefilde von Glück; aber Labyrinthe versperren den Zugang, Gesn. Ich wollte wünschen, daß es meine Kräfte zuließen; so aber muß ich mich noch heute auf den Weg machen, Less.
Eh Sylvia noch kam, so hatt ich vielen Muth;
Kaum aber sah ich sie, so wich bey ihrem Blicke,
Mein erst so dreistes Herz schon ganz beschämt zurücke,
Gell.
b) Einen Einwurf; besonders wenn derselbe fragweise vorgetragen wird, ingleichen einen möglichen Fall in Gestalt eines Einwurfes. Die Natur ist hier schön; wird sie es aber auch für mich seyn? Ach, wenn ich ihn fände! – – Aber, ich träume. Sie sagen, sie liebten mich; aber wie kann ich glauben, ihnen zu gefallen? c) Eine Bedingung oder Ermahnung, in Gestalt eines Gegensatzes. Morgen erwarte ich sie; aber daß sie mir den Daphnis nicht vergessen. Vielleicht wird mir diese Pflicht künftig nicht schwer fallen; aber entziehen sie mir dabey ihre Hülfe nicht. Der Doctor hat mir befohlen, mich aus einem Zimmer in das andere zu begeben; aber wenn er mir erst Kräfte eingegeben hätte, Gell. d) Eine Einschränkung, oder Erläuterung des vorigen, Beyfügung eines Nebenumstandes u.s.f. Ach Phillis, wie schön bist du! Aber nicht nur deine Schönheit hat mich zur Liebe gereitzet, Gesn. Was? eines Mords wegen? Antw. Ja, aber eines honneten Mords, Less.
Fürstenkinder haben Freude;
Aber lange nicht, wie wir, Weiße.
Denn unsrer Jugend gönnt die Liebe
Viel Unschuld; aber nicht zu viel,
Haged.
Wenn die Einschränkung nachtheilig oder bedenklich ist, so wird der Nachsatz auch wohl verschwiegen, und das aber wiederhohlet; z.B. Es kann noch etwas aus ihm werden; aber, aber – – Und in diesem Verstande kann aber auch als ein Substantiv gebraucht werden; z.B. die Sache hat ein Aber, eine bedenkliche Einschränkung, oder, sie ist nur unter gewissen Bedingungen wahr. Es ist nichts so schön, es ist ein Aber dabey. Das Aber eines Kenners ist schmeichelhafter, als alle Ausrufungen des Pöbels.
In den meisten der obigen Fälle gehet die Partikel zwar entweder ausdrücklich, oder doch dem Verstande nach vorher. Das Semikolon ist das gewöhnlichste Zeichen, welches zwey mit aber verbundene Sätze unterscheidet, es müßte denn wegen der Kürze des Vordersatzes ein Komma hinlänglich seyn, oder ein Ausrufungs- oder Fragezeichen dessen Stelle einnehmen. Wenn Ausdrücke vorkommen, in welchen das aber im Nachsatze sich unter keinen der vorigen Fälle bringen läßt: so steht es daselbst wohl nicht an seinem rechten Orte. Z.B.
Scherz ich, so ertönet mir
Ein scherzhaftes Lied von dir;
Will ich aber traurig seyn,
Klagend stimmst du mit mir ein.
Hier sollten beyde Sätze bloß durch das einfache und mit einander verbunden seyn.
Aber dienet oft auch, die Bedeutung verschiedener anderer Bindewörter zu verstärken; z.B. doch aber, jedoch aber, dennoch aber. Auf ähnliche Art sagten auch die Römer sed contra, sed enim u.s.f. Nur nach oder und vor allein, oder aber, aber allein, z.B. er muß mich bezahlen, oder aber ich verklage ihn, ist es völlig überflüssig. Indessen kommt doch dieser Pleonasmus zuweilen bey dem Opitz vor. Z.B.
Das Best aus zweyen ist, gar nie gebohren werden,
Nie, oder aber doch bald scheiden von der Erden.
Auf der andern Seite wird auch die Bedeutung des aber zuweilen sehr schön durch andere Partikeln schattiret. Z.B. Sie lachen über mich, daß ich mich bey solchen Kleinigkeiten aufhalten kann – – Ja wohl Kleinigkeiten! Wenn man denn nun aber u.s.f. Less. Wenn man denn nun aber einen Mann vor sich hat, der sich auf solche Kleinigkeiten brüstet, ebend. Nur hüte man sich vor dem unartigen Pleonasmus der Kanzelleyen, dennoch aber und dieweil, u.s.f.
2. Am Anfange einer Rede oder Periode, gleichsam einen Gegensatz des vorher gegangenen anzukündigen. Oft aber dienet es bloß dazu, einen Übergang von einer Sache auf die andere zu machen, wenn gleich beyde keine begreifliche Verbindung mit einander haben. Dieses geschieht besonders, (1) In affectvollen Ausdrücken, in Fragen, Ausrufungen u.s.f. Aber sehen sie einmahl, ihr Diener steht noch da. Less. Aber, was hat Amyntas zu dem Körbchen gesagt? Gesn. Aber wieder auf deinen Bruder zu kommen. Besonders wird aber gebraucht, wenn ein unerwarteter Umstand, oder eine schleunige Veränderung des Entschlusses der angefangenen Rede Einhalt thut. In melancholischen Sängen von Laub will ich irren – – Aber, Himmel! was entdeckt mein Auge am Ufer im Sande? Ebend.
(2) Im Umgange, wo oft die Einbildungskraft Dinge zusammenbringt, die keinen andern Zusammenhang unter sich haben, als daß sie uns gelegentlich in den Sinn kommen. Alsdann deutet das Französische à propos und das Deutsche aber eine solche gelegentliche Verknüpfung zweyer ganz verschiedener Gegenstände an, und es ist nichts seltenes, das vermittelst solcher Aber endlich die ganze Welt durch die Musterung gehet, und man zuletzt fragen muß, wo das Gespräch angefangen hat.
Anm. Der biblische Gebrauch dieses Bindewortes, da es nicht nur in Luthers, sondern auch in den meisten ältern Übersetzungen das Hebr. ו und Griech. δε fast beständig ausdrücken muß, z.B. Die Geburt Christi war aber also; Jesus aber antwortete und sprach u.s.f. ist wider die Natur der Deutschen Sprache. Es war daher nicht zu billigen, daß einige besonders Schweizerische und herametrische Dichter vor einiger Zeit diesen Mißbrauch des aber allgemein zu machen suchten. So bath der Redliche, und Palämon ward gesund. Aber Amyntas sah den mächtigen Segen in seiner Herde, Gesn. In der komischen Schreibart hingegen thut dieser Gebrauch eine desto bessere Wirkung. Z.B.
– So drangen die Knaben
Jauchzend aus ihrem dumpfigen Kerker und liefen zum Schauplatz.
Aber der Küster steckte die Fasces des wichtigen Lehramts,
Seine birkene Ruth und den Stock an das schwitzende Fenster.
Zach.
Also sprach er prahlend und stolz, und drohte noch dreymahl
Mit dem knotigen Stock dem schon verblichenen Cyper.
Aber das Fräulein weinte laut.
Ebend.
Aber kann so wohl zu Anfange eines Satzes, als auch nach einem oder mehrern Wörtern stehen. Man kann sagen: aber hat er es noch? oder, hat aber er es noch? und, hat er es aber noch? da denn die Stelle bloß von dem Nachdrucke abhänget, welchen man auf das aber, oder auf ein anderes Wort leget. Übrigens verändert dieses Bindewort die natürliche Wortfügung nicht.
Dieses Bindewort kommt zwar schon bey den ältesten Deutschen Schriftstellern, als dem Kero, dem Übersetzer des Isidor, dem Ottfried, Notker und andern, aber doch nur sehr selten vor. Die Niedersachsen sagen zwar auch aver und averst; allein sie bedienen sich Statt dessen eben so oft ihres man, wofür die Holländer und Dänen men und mar sagen. Da das Nieders. man ehedem auch me und meh geschrieben und gesprochen wurde, so scheinet es von mehr abzustammen, so wie das Franz. mais, das Ital. ma und Span. mas von magis Dieß macht es wahrscheinlich, daß auch so wohl das Bindewort, als das Nebenwort aber, von ober oder über herkommt, obgleich andere dasselbe von ab herleiten wollen.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.