- Du
Du, das persönliche Pronomen der zweyten Person, welches im Singular folgender Gestalt abgeändert wird:
Nom. Du.
Genit. Deiner.
Dat. Dir.
Accus. Dich.
Für den Plural dieses Pronomens wird gemeiniglich das Ihr gehalten. Da dieses aber von einem ganz andern Stamme herkommt, so ist es schicklicher, dasselbe an seinem Orte besonders abzuhandeln.
Der Genitiv deiner wird in einigen Mundarten, besonders im Oberdeutschen, gern in dein zusammen gezogen, welches denn auch die Dichtkunst um des Sylbenmaßes willen oft beybehält. Er spottet dein. S. 2 Deiner.
Eigentlich sollte man mit diesem Fürworte alle einzelne Personen außer uns anreden. So gebrauchten auch die ältern Völker und Sprachen dieses Wort, so gebrauchen es noch viele auswärtige Nationen, und so bedienten sich dessen auch ehedem die alten Deutschen. Allein die Mode und die gesellschaftliche Höflichkeit haben hierhin schon seit mehrern Jahrhunderten eine Änderung getroffen, und heut zu Tage ist dieses Wort nur ein Zeichen theils der Vertraulichkeit, theils der Unterwerfung, theils auch der Verachtung. Jemanden du nennen. S. Dutzen.
Was die Vertraulichkeit betrifft, so pflegen sich Geschwister, Eheleute, und genaue Freunde, besonders solche, welche sich beym vertraulichen Trunke brüderliche Treue zugesagt, du zu nennen. Schon unter den Schwäbischen Kaisern war dieses Wort der vertraulichen, aufrichtigen Liebe eigen.
Einer fraget lihte nu
Warumbe ich dich heisse du
Das von rehter liebe frowe sprich
Hab ich daran iender missesprochen
Das las ungerochen,
der Schenke von Limpurg.
In Ansehung der Unterwerfung werden Kinder von ihren Ältern und Vorgesetzten, niedrige Bediente und Leibeigene von ihren Herrschaften sehr oft nur du genannt. Der Kanzelleystyl des Hauses Österreich und vieler Oberdeutschen Höfe dutzet alle seine Minister und Beamten. S. Ihr.
Nur die Dichtkunst hat die Gewohnheit der Alten beybehalten, und redet alle Personen, die höchsten nicht ausgenommen, mit du an. Auch das höchste Wesen, Verstorbene, und alle unsichtbare und abstracte Dinge, wenn sie als Personen angesehen und eingeführet werden, sind von der Tyranney der modischen Höflichkeit gleichfalls ausgenommen, und heißen auch in Prosa du.
Du gehöret zu denjenigen Pronominen, welche gewisser Maßen Hauptwörter sind, und daher kein anderes Hauptwort neben sich leiden, außer wenn solches in Gestalt einer Apposition vorhanden ist. So hört man oft im gemeinen Leben, du Bruder, du Carl u.s.f. welche Ausdrücke elliptisch sind, für: du, der du mein Bruder bist; du, der du Carl heißt. Wenn es hinter dem Verbo stehet, und sich dieses mit st endiget, wird es im gemeinen Leben oft an dasselbe angehänget. Willstu, kommstu, für willst du, kommst du; doch pflegt man nicht gern so zu schreiben. Eben so oft ziehet die vertrauliche Sprechart dasselbe mit es zusammen. Mußt dus nicht selbst gestehn? für: mußt du es nicht selbst gestehn?
Die gemeine geschwinde Sprechart lässet dieses Pronomen zuweilen vor den Verbis weg. Logau und einige neuere Dichter haben dieses in der vertraulichen und scherzhaften Dichtung nachzuahmen gesucht.
Welch ein Jammer, o Sperling! armer Sperling!
Hast gemacht, daß mein trautes Mädchen ihre
Lieben Äuglein sich ganz roth geweint hat.
Raml.
in der Übersetzung des bekannten Gedichtes aus dem Catull. Allein, es ist zu wünschen, daß diese Ellipse nicht zu stark gebraucht werde, weil sie der Natur der Deutschen Sprache völlig zuwider ist, und dem Gehöre gewiß wenig Anmuth verursacht.
Der Dativ dir wird in der niedrigen vertraulichen Sprechart, besonders wenn man etwas mit Verwunderung erzählet, von Personen, welche sich du zu nennen pflegen, sehr oft überflüssig gesetzt. Das ist dir eine Kunst, Rost.
Das war dir selbst Damöt, der hatte sich verkleidet,
Rost.
Es ließ dir auch recht frey,
Rost.
Er weiß dir alle Mahl was neues anzugeben,
Rost.
Anm. Dieses Pronomen ist sich in allen Europäischen Mundarten ähnlich geblieben. Bey dem Ulphilas lautet es thu, bey dem Kero, Isidor und Ottfried du, thu, und im Accus. dih, dhih, im Angels. thu, im Engl. thou, im Holländ. Nieders. Dän. und Schwed. du, im Isländ. thu, im Wallis. ti im Bretagnischen te, im Slavon. ty, im Latein. tu, im Griech. συ und bey den Doriern τυ, im Franz. toi, im Pers. tu u.s.f. Nigidius, ein Römischer Sprachlehrer, behauptete schon, dem Gellius B. 10, Kap. 4 zu Folge, die Fürwörter ego, nos, tu, vos, wären natürliche, der Sache selbst angemessene Töne. Bey den beyden ersten ziehe man den Athem und die Lippen in sich selbst, sein eigenes Individuum dadurch anzudeuten; bey den beyden letztern aber bewege man beydes gegen den, mit welchem man spreche.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.