Gähren

Gähren

Gähren, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert; ich gähre, du gährst (gierst), er gährt (giert); Imperf. ich gohr; Mittelwort gegohren. 1) Eigentlich, in eine innere Bewegung des öhligen Wesens gerathen, wodurch ein Körper aus seiner Mischung gesetzt wird. In dieser weitern Bedeutung kennet man drey Grade der Gährung; die geistige, wodurch ein geistiger Körper hervor gebracht wird; die saure, wodurch eine Säure gewirket wird; und endlich die faule, wodurch viel Alkali entwickelt und der Körper zerstöret wird. In engerm Verstande gebraucht man dieses Wort besonders von den beyden ersten Graden. Der Sauerteig gährt. Das Bier, der Wein hat gegohren. 2) Figürlich. Das Volk ist in einer Gährung, in einer unruhigen Bewegung. Die Sache ist noch im Gähren, ist noch in Bewegung, ist noch nicht zu ihrer Reife gediehen.

Anm. Dieses Wort lautet in den Deutschen Mundarten bald gahren, göhren, gieren, gairen, gühren, bald auch mit dem Zischlaute gäsen, gißen, gäschen, gischen u.s.f. mit welchen letztern Wörtern zugleich auf den Laut gesehen wird, den ein gährender Körper gemeiniglich von sich gibt. Mit dem Zischlaute kommt es schon bey dem Willeram vor, jesen. S. Gäschen. Im Schwed. lautet es göra. Nimmt man die letzte Sylbe ren, welche ein Intensivum andeutet, weg, so kommen wir auf das Zeitwort gehen zurück, welches gleichfalls von dem Gähren, besonders des Teiges und Brotes gebraucht wird. Im Bretagnischen ist goi gähren, Go Sauerteig, und im Hebr. גאה sich erheben. Hieraus erhellet deutlich genug, daß gähren, nicht von gar, fertig, bereitet, abstamme, wie Frisch glaubte, sondern daß mit diesem Zeitworte auf das Gehen, d.i. auf die innere Bewegung, besonders aber auf die Bewegung in die Höhe gesehen wird, welche man bey allen gährenden Körpern wahrnimmt. Bey den Wenden bedeutet gor noch jetzt hinauf, und im Pohln. ist Gora ein Berg. In einigen Gegenden gehet dieses Wort auch im Präsenti irregulär, du gierst, er giert; dagegen es in andern auch in den übrigen Zeiten ganz regulär gemacht wird, ich gährete, gegähret. Das h hat bloß den langen Gebrauch im Hochdeutschen vor sich. S. Guhr.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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  • Gähren — Gähren, 1) s.u. Gährung; 2) (Gerb.), von den Fellen. durch das Beizen aufgelockert werden;[841] bei den Weißgerbern geschieht dies in einer Tonne, dem Gährungsgesätze; 3) (Kohlenbr.), so v.w. Dnrcheimern …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Wein [1] — Wein (Traubenwein), die durch Gährung des Traubensaftes ohne Destillation gewonnene alkoholische Flüssigkeit. Die Weintrauben enthalten unter allen Obstsorten den meisten Zucker (Trauben u. Fruchtzucker), außerdem noch Säuren (Weinsäure,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Ausgähren — Ausgähren, verb. irreg. neutr. (S. Gähren,) welches das Hülfswort haben erfordert, so viel als nöthig ist, gähren, die gehörige Zeit gähren. Das Bier hat nicht ausgegohren. Ein gutes, ausgegohrnes Bier. Ingleichen, aufhören zu gähren, nicht mehr… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Bierbrauen — Bierbrauen. I. Das B. ist die kunstmäßige Anfertigung des Biers. Das Verfahren beim B. im Allgemeinen besteht darin, ein zuckerähnliches Extract aus der Gerste od. andern Getreidearten darzustellen, dasselbe mit Hopfen zu würzen u. zur weinigen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Übergähren — Übergähren, verb. irreg. recipr. (S. Gähren,) übergohren, zu übergähren, über das gehörige Maß gähren, zu viel gähren. Der Teig, das Bier hat sich übergohren …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Gäschen — Gschen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches den Schall nachahmet, welchen ein flüssiger Körper im Aufbrausen macht, und im gemeinen Leben auch jeschen, gischen lautet. Das Bier gäscht, wenn es gähret, noch mehr aber, wenn es… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Vergähren — Vergähren, verb. irreg. neutr. (S. Gähren,) welches das Hülfswort haben erfordert. Nach Vollendung des Gährens aufhören zu gähren, im gemeinen Leben auch ausgähren. Der Most, das Bier hat vergohren. 2. Zu viel gähren, sich übergähren …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Vogelleim — Vogelleim, 1) Grüner V. (Altenburger Leim), grünlichgelbe, sehr zähe u. kleberige Masse, deren sich die Vogelsteller zum Bestreichen der Leimruthen bedienen, wird gewonnen a) aus den reisen Beeren der Mistel, welche man zerquetscht, mit Wasser… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Bier [1] — Bier, ein durch heißen Wasserausguß dargestellter Malzauszug, der mittelst Zusatz von Hefe in geistige Gährung versetzt worden ist. I. Das B. enthält folgende Bestandtheile: Wasser, Alkohol, Kohlensäure, Stärkegummi, Kleber, Diastase, Zucker,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Champagner — (spr. Schampanjer, Vin de Champagne), Wein in der Champagne, meist auf Kalk od. Kreideboden, mehr in der. Ebene als auf den Bergen wachsend; der beste wird im französischen Departement der Marne, weniger guter in denen der Obermarne u. Aube,… …   Pierer's Universal-Lexikon

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