- Gelinde
Gelinde, -r, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich. 1) Sanft, glatt, dem Gefühle nach, im Gegensatze dessen, was rauh ist. Ihre Worte sind gelinder (glatter) denn Öhl, Ps. 55, 22. Mandelöhl macht eine gelinde Haut, gelinde Hände. Gelindes Leder. 2) Weich, im Gegensatze dessen, was hart ist; doch nur noch selten. Gelindes Fleisch, welches weich oder mürbe ist. Ein gelindes Bett, ein gelindes Küssen, ein weiches, im Oberdeutschen. Gelinde Saiten aufziehen, figürlich, nachgeben. Das Kupfer ist gelinde, bey den Kupferstechern, wenn der Grabstichel leicht und rein schneidet.
2. Figürlich. 1) Die gelinde Aussprache eines Buchstaben, im Gegensatze der harten. Jemanden mit gelinden Worten besänftigen, mit sanften, sanftmüthigen. Gelinde Sitten haben, im Gegensatze den rauhen. Eine parteyische Empfehlung der Blutsfreunde ist, sie mit dem gelindesten Nahmen zu belegen, ein frommer Betrug, Gell. 2) Einen geringen Grad der innern Stärke oder des Prädicates überhaupt habend. Ein gelinder Regen, ein sanfter Regen. Eine gelinde Wärme. Gelindes Wetter, im Gegensatze des kalten. Ein gelinder Wein, im Gegensatze eines starken, feurigen. Eine gelinde Purganz, gelinde Arzeney, im Gegensatze einer heftigen. Die Arzeney wirkt sehr gelinde. Ein gelindes Feuer anmachen, im Gegensatze eines starken oder heftigen. Ein gelinder Wind. Ein gelinder Schmerz. Jemanden sehr gelinde strafen. Etwas gelinde anrühren. 3) Geneigt, in Beurtheilung anderer und in seinem Betragen gegen sie auf das vortheilhafteste, d.i. so wie es ihre Wohlfahrt erfordert, zu verfahren; im Gegensatze dessen was strenge ist. Niemand lästern, nicht hadern, gelinde seyn, Tit. 3, 2. Eine gelinde Strafe. Seinen Kindern gar zu gelinde seyn. Sehr gelinde mit jemanden umgehen. Eine gelinde Herrschaft. Gelinde Mittel versuchen, im Gegensatze der strengen.
Anm. Im gemeinen Leben Ober- und Niederdeutschlandes oft nur linde, welches auch Sprichw. 15, 1, 15 vorkommt, bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen lindo und lind, im Nieders. und Dän. lind, im Schwed. len, im Angels. lith, im Latein. lenis. Das e am Ende ist das e euphonicum, welches durch die gelinde Aussprache des d nothwendig wird. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt auch das Zeitwort gelinden vor, gelinde werden. S. Lindern.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.