Verrathen

Verrathen

Verrathen, verb. irreg. act. S. Rathen, welches besonders in einem dreyfachen Verstande vorkommt. 1 * Von rathen, Rath geben, war verrathen ehedem einen üblen bösen Rath geben, wo ver die entgegen gesetzte schlimmere Bedeutung hat. Es kommt in dieser jetzt veralteten Bedeutung, in welcher auch das Angelsächsische forraedan üblich war, noch bey den Oberdeutschen Schriftstellern des mittlern Zeitalters vor. 2. Von rathen, reden, ist verrathen, durch die Rede, und in weiterm Verstande, auch durch Zeichen bekannt machen, wie verschwatzen, verplaudern, doch so, daß sich etwas von der vorigen Bedeutung der Partikel ver mit einmischet. (1) Im engsten Verstande, etwas, das verschwiegen oder verborgen bleiben sollte, in der Absicht dem andern zu schaden, bekannt machen, besonders, so fern es heimlich geschiehet. Jemandes Geheimniß verrathen. Seine Mitschuldigen verrathen, sie heimlich angeben. Verrathe den Knecht nicht gegen seinem Herrn, Sprichw. 30, 10. Simon verrieth den Schatz, 2 Macc. 4, 1. Rodocus alle Heimlichkeit, Kap. 13, 21. Wenn du mich nicht verrathen willst, will ich es dir gestehen. (2) Im weitesten und figürlichem Verstande, zu erkennen geben, auch von leblosen Dingen, und am häufigsten von solchen, welche man zu verbergen sucht. Deine Sprache verräth dich, Matth. 27, 4. Das verrieth (entdeckte) den ganzen Handel – Es (dein Auge) verräth sich mir durch unleugbare Zeichen, Weiße. Dein Auge verräth seit einiger Zeit einen geheimen Gram. War je ein Wunsch, den mein Auge verrieth, den du nicht erfülltest? Geßner. Sich selbst verrathen, aus Versehen etwas merken lassen, was man verschweigen wollte. Es ist noch ungewiß, ob es in dieser Bedeutung auch wirklich von reden abstammet, indem es auch mit der folgenden Bedeutung zusammen hangen kann.

3. In der Absicht zu schaden dem Feinde überliefern. So verrieth Judas Christum. Die dein Brot essen, werden dich verrathen, Obad. v. 7. Sein Vaterland verrathen, es dem Feinde verrathen, dessen Beßtes dem Feinde überliefern. Ich weiß nicht, ob ich hier verrathen oder verkauft bin.

Anm. In dieser letzten Bedeutung schon bey dem Notker ferraten, bey dem Ottfried aneratin, im Nieders. verraden, im Schwed. förråda, und auch nur råda. Die eigentliche Bedeutung beyder Theile der Zusammensetzung ist den meisten Wortforschern dunkel und unbekannt gewesen, die es bald als eine Figur der ersten Bedeutung erkläret, bald als den Gegensatz von gerathen, consultum, angesehen, bald noch anders abgeleitet haben. Allein, es ist wohl gewiß, daß verrathen in dieser dritten Bedeutung eine buchstäbliche Übersetzung des Lat. prodere ist, und eigentlich übergeben, überliefern, und, im engeren Verstande, dem Feinde übergeben bedeutet. Rathen bedeutete ehedem nicht nur reichen, sondern auch geben, wie noch aus einigen Bedeutungen von berathen erhellet. Auch das Schwed. råda bedeutete ehedem geben, daher es auch noch jetzt ohne die Partikel für verrathen gebraucht wird. Im mittlern Lateine kommen tradere und Traditor mehrmahls für verrathen und Verräther vor, daher der letztere im Französischen noch Traitre, im Span. Tradidor, und im Ital. Traditore genannt wird. Ver hat hier die Bedeutung der Entfernung, eigentlich ausliefern. Dahin scheinet auch der dunkele Artikel in dem alten Friesischen Gesetze de Forresni zu gehören, wo wirklich von einer Art der Verrätherey gehandelt wird.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Verrathen — 1. Es verräth einer den andern nicht. Lat.: Ut in velabro olearii. (Plautus.) (Hanzely, 31; Philippi, II, 237.) *2. Einen verrathen vnd verkauffen. – Mathesy, 310a. *3. Er ist vbel darzu verraten worden. – Agricola I, 434; Franck, I, 96; Egenolff …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • England [2] — England (Gesch.). I. Älteste Zeit bis zur Ankunft der Römer 55 v. Chr. Die ältesten Nachrichten über die Bewohner E s stammen von Pytheas (320–330 v. Chr.) her, dessen Landsleute, die Massilier, auf dem Landwege eine Handelsverbindung mit Ictis… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Wort — 1. A guids Woat pfint a guids Oat. (Steiermark.) – Firmenich, II, 767, 73. 2. A güt Wort bringt a güte Äntver (Antwort). (Warschau. Jüd. deutsch.) Freundliches Entgegenkommen gewinnt die Herzen. 3. Allen Worten ist nicht zu glauben. – Henisch,… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Rom [4] — Rom (Römisches Reich, Gesch.). I. Rom unter Königen. Die Stelle, wo R. nachher erbaut wurde, war vormals ein Weideplatz Albanischer Hirten. Romulus (s.d.) u. Remus, die Enkel des Numitor, Königs von Alba Longa, Söhne der Rhea Sylvia u. des Mars,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Auge — 1. Ab Auge, ab Herz. (Luzern.) 2. Als das aug erfüllet, so ist dem bauch genug gethan. – Henisch, 152. 3. An den Augen sieht man, was einer ist und was er kann. 4. An den augen tevblein vnd in den hertzen tevflein. – Trymberg, Renner, um das Jahr …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Schweiz [2] — Schweiz (Gesch.). Die ersten Bewohner der S. sollen celtischen Ursprungs gewesen u. von Nordost eingewandert sein. Sie waren in vier Stämme getheilt, wurden zusammen Helvetier genannt u. lebten in freier Verfassung. Nach ihnen hieß das Land… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Frankreich [3] — Frankreich (Gesch.). I. Vom Anfang der geschichtlichen Zeit bis zum Ende der römischen Herrschaft, 486 v. Chr. Die ersten Bewohner des heutigen F s waren Celten (s.d.), von den Römern Gallier genannt; nur einzelne Theile des Landes wurden zu der… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Melden — Mêlden, verb. reg. act. et reciproc. welches das Intensivum oder Frequentativum des veralteten malen ist. Es bedeutet, 1. in der weitesten Bedeutung, seine Gegenwart andern vermittelst des Gehöres merklich machen; als ein Reciprocum. Ein Thier… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Bart — 1. Am Barte des Narren lernt man scheren. Frz.: A barbe de fol, on apprend à rire. (Recueil, 28.) 2. Barbati praecedunt, sagte Magister Fuchs und stiess den Bock die Treppe hinab. 3. Bart auf Bart ist Geissbocksart. – Eiselein, 55. 4. Bart und… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Geheimniss — 1. An einem Geheimniss ist kein Segen. Jüd. deutsch: An e Sod is kaan Brooche. (Tendlau, 847.) 2. Das Geheimniss ist dein Gefangener, so lange du es bewahrst; du aber bist sein Gefangener, wenn du es offenbarst. – Sailer, 281. Und um zu zeigen,… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”