- Zwey
Zwey, eine Grundzahl, welche zwischen eins und drey in der Mitte stehet, und in den Geschlechtern und Endungen unveränderlich ist, wenn es sein Hauptwort bey sich hat, und entweder der Artikel, oder ein Pronomen, oder auch eine dasselbe regierende Präposition vorher gehet. Die zwey Thaler, die zwey Schwestern, diese zwey Häuser. Der Freund der zwey Fremden. Vor zwey Jahren. Von den zwey Ducaten ist einer falsch. Wenn aber der Artikel oder das Pronomen fehlet, auch keine Präposition vorher gehet, welche dasselbe regieret, folglich der Casus aus sonst nichts erkannt werden kann, so hat es zu dessen Bezeichnung im Genitiv zweyer und im Dativ zweyen. Der Ertrag zweyer Rittergüter. Der Zwist zweyer Freunde. Auf zweyer Zeugen Mund, wo zwar eine Präposition vorher gehet, welche aber nicht zu zwey, sondern zu Mund gehöret. Entdecke dich zweyen Freunden. Eben so verhält es sich, wenn es absolute, d.i. ohne Substantiv, stehet, da zwar der Nominativ und Accusativ zwey lautet, aber der Genitiv und der Dativ auf die vorige Art bezeichnet werden. Sie kamen alle zwey. Es gehet auf zwey. Zweyer Zeugniß ist nicht hinlänglich. Das Gut gehöret zweyen zu. S. davon mein Lehrgebäude Th 1, S. 57, f.
Einige südliche Deutsche Provinzen decliniren dieses Zahlwort nach den Geschlechtern, zween, zwo, zwey: zween Männer, zwo Frauen, zwey Häuser; zweener Männer, zwoer Frauen, zweyer Häuser u.s.f. welches denn in der Schriftsprache, selbst von Hochdeutschen Schriftstellern nicht nur nachgeahmet, sondern auch wohl als nachahmungswürdig empfohlen werden. Gisellon zuene guate, Ottfr. Zuene dag, eben ders. Zuene Salmun, Kero.
Zweene (zween) Räuber zankten sich
Des gestohlnen Esels wegen,
Haged.
Luther hat in der Deutschen Bibel diese Declination mehrmahls beobachtet, aber eben so oft, und vielleicht noch häufiger, zwey ohne Unterschied des Geschlechtes gebraucht. Es läßt sich auch aus andern alten Schriftstellern beweisen, daß dieser Unterschied von keinem beständig beobachtet worden, woraus erhellet, daß er in der Schriftsprache fremd ist, und nur durch Nachahmung eingeführet worden. Zwischen zwei froeiden, einer der Schwäbischen Dichter. Dhero zueio heido, zuene dhero heido, der zwey Personen, im Isidor; wo Heido, unser -heit, die Person, ein Fämininum ist. Vieler anderer Beyspiele zu geschweigen.
Ich habe in meinem Lehrgebäude Th. 1, S. 569, noch mehr aber in meinem Magazine B. 1, St. 3, S. 37f. die Gründe angezeiget, warum diese Declination wider alle Hochdeutsche Analogie, folglich höchst verwerflich ist, und will sie hier kürzlich wiederhohlen. 1. Die Analogie aller übrigen Zahlwörter, worunter sich kein einziges befindet, welches das Geschlecht bezeichnet. Drey Männer, drey Blumen, vier Frauen. Zwar scheint ein eine Ausnahme zu machen, weil dieses nach den Geschlechtern gebogen wird: ein Mann, eine Frau, ein Haus. Allein ein ist kein bloßes Zahlwort, sondern auch der unbestimmte Artikel, und in manchen Fällen ein wahres Adjectiv. Um der beyden letzten Bestimmungen Willen mußte es vollständige Biegungszeichen annehmen, und da es diese einmahl hatte, so behielt es selbige auch als Zahlwort. Allein, da kein anderes Zahlwort weder als Artikel, noch als ein wahres Adjectiv gebraucht wird, so kann es denselben auch nicht zur Regel dienen. 2. Die Analogie aller übrigen Bestimmungswörter des Substantives. Zwey ist nur im Plural gebräuchlich. Kein einziges Deutsches Bestimmungswort bezeichnet im Plural das Geschlecht. Warum soll es gerade das zwey thun? 3. Die Analogie der Biegung selbst. Das Geschlecht wird in allen übrigen Fällen durch angehängte Geschlechtssylben bezeichnet: gut-er Mann, gut-e Frau, gut-es Haus; aber in zween, zwo, zwey geschiehet die Biegung auf die unregelmäßigste Art von der Welt. 4. Die Analogie der Hochdeutschen Mundart, welcher diese ganze Declination fremd ist, daher sie nur von einzelnen Schriftstellern aus Nachahmungssucht angenommen, aber nicht einmahl beständig behauptet worden. Ich glaube, diese Gründe sind hinlänglich, ihre Verwerflichkeit zu beweisen.
Diese Declination ist eine bloße Eigenheit des Volkes in einigen südlichen Deutschen Provinzen z.B. in Baiern, Tyrol, Steiermark; und es scheinet, daß sie ein alter Dualis ist, welcher sich in mehrern alten Sprachen befindet, und seinen Ursprung der Ungewißheit zu danken hat, ob die Zahl zwey zur Vielheit gerechnet, folglich durch den Plural ausgedruckt werden könne. Als sich die Deutsche Sprache mit ein wenig mehr Bewußtseyn der Absicht und Mittel ausbildete, ließen die neuern Mundarten diesen Überrest des frühesten Alterthumes veralten, weil ein dunkeles Gefühl ihnen sagte, daß kein Deutsches Bestimmungswort im Plural das Geschlecht bezeichnen dürfe, folglich solches an einem Zahlworte am unschicklichsten seyn würde.
Anm. Dieses Zahlwort ist überaus alt, und findet sich fast in allen, selbst den entferntesten Sprachen wieder, zum klaren Beweise, daß es, so wie andere ähnliche Zahlwörter, im Deutschen nicht einheimisch, sondern von einem ältern Volke entlehnet worden. Im Oberdeutschen lautet es von den frühesten Zeiten an zuen, źuo, zuei, bey dem Ulphilas twa, twai, two, im Niederdeutschen twe, im Angels. tu, twa, twegen, im Engl. two, im Schwed. tvä, im Irländ. do, bey den Krimmischen Tartarn tua, im Lat. duo, im Griech. δυω, im Slavon. dwa, dwie, dwoie, im Persischen dou, im Indostanischen du, dujum, u.s.f. Es wird, so wie die übrigen Zahlwörter, mit vielen Adjectiven zusammen gesetzt, welche außer der Zusammensetzung nicht üblich sind: ein zweymännisches Bett, worin zwey Personen schlafen können; zweybohrige Röhren, welche im Durchmesser zwey Zoll halten; zweytägig, zweystündig u.s.f. In einigen Wörtern gehet es in zwie über, wie in zwiefach, Zwieback, zwier u.s.f.
http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.